1. Alle Menschen sind erkoren,
durch den Heiland neugeboren; 
frei von Sühne ist durch Ablaß
jeder Mensch auf diesem Atlas.
2. In des Herzens vierter Kammer 
waltet Zarvan Akarana,
dem Gesinn die Khinvats knüpfend,
Seele, Geist und Telefunken.
Chor: In uns nimmt Gott jetzt Wohnung,
auf daß uns werde Schonung,
Erkenntnis als Belohnung,
Erkenntnis als Belohnung.

Die »Weihnachtsaufführung« (siehe Offenbarungen 1932 Seite 163ff) soll uns an jene Zeit erinnern, da man alle Morallehren, die ganze Ethik und Spiritualität bildlich darstellte anstatt durch Ansprachen und Predigten, weil die Verbildlichung eines Themas einen bleibenden Eindruck macht, der das Denkenswesen immer wieder belebt.

Es bleibt sich gleich, ob die verbildlichte Begebenheit stattgefunden hat oder nicht, ob es einen Christus in Menschengestalt gegeben hat oder nicht; denn es ist der Gedanke, der da sucht einzukleiden den moralischen Gedanken der Vollkommenheit. Es bleibt sich gleich, ob die Dichtung auf eine Wirklichkeit Bezug genommen hat; es genügt, daß uns durch das Drama eine Moral verbildlicht worden ist.

Uns wurde die Bibel überhaupt nicht durch Worte erklärt, sondern alles wurde uns verbildlicht. Wir sahen immer wieder die Spiele, und darnach lasen wir die Bibel für uns. Dann lasen wir sie mit ganz andern Gedanken, als es heute geschieht. Mit dem Avesta und den Rigvedas war es ebenso; wir wohnten den Spielen bei und dadurch wurde uns alles klar und immer klarer.

Das kann man heute noch ebenso machen, wenn man Talente findet, die die Spiele verfassen, und Talente, die sie sinngemäß vorführen. Denn obwohl wir alle das gleiche darstellen, verlangen doch die Verhältnisse und Umstände daß man auf dies und jenes aufmerksam gemacht wird, wenn man das will; nur darf man niemand etwas aufdrängen.

So wir tiefer in das Weihnachtsdrama hineingreifen und die Sache geschichtlich untersuchen, finden wir, daß der Heilandsgedanke nicht etwa in Palästina, Judäa oder Galiläa seinen Anfang genommen hat oder auf Kleinasien beschränkt gewesen wäre, sondern daß er sich als der alle Gemüter bewegende Erlösergedanke schon viele Jahrhunderte vor Christus durchzusetzen suchte. Die einfache Melodie mit dem Texte »Alle Menschen sind erkoren« stammt aus der Zeit um 600 vor Christus und befaßt sich schon damit.

Die zarathustrischen und mazdayaznischen Kommunitäten sangen schon zu jener Zeit von der Möglichkeit eines Heilandsgedankens, der uns freimachen kann und infolgedessen von uns keine Sühne und kein Opfer verlangt. Opfern wir denn nicht schon genug, daß wir uns begrenzen lassen auf den Erdenball, daß wir uns alle die Begrenzungen aneignen, wie sie einem kleinen Planeten wie der Erde eigentümlich sind ! Ist das nicht schon ein großes Opfer, daß wir mit diesen ungefesselten Elementen zu streiten haben und darauf sinnen und trachten müssen, diese widerstreitenden Naturkräfte uns zu eigen zu machen, um sie schließlich zu kontrollieren, auf daß uns eine bessere Zukunft werde! Bringen wir nicht alle genug Opfer! Warum sollten wir also noch mehr Opfer bringen für das, was uns ohnehin schon eine Bürde geworden ist?

Sühne oder Strafe gibt es nicht. Leiden und Versuchungen aller Art, die uns werden durch die entfesselten Elemente der Natur, nehmen wir mit Dank entgegen, weil wir dadurch erkennen, wie weit uns eine sie überragende Macht des Gedankens sei. Aber Widerwärtigkeiten, die sich die Menschen gegenseitig in den Weg legen, laufen der Natur zuwider und beweisen kriminelle Veranlagung. Denn wir haben anzuerkennen, daß ein jeder zu der Stellung berechtigt ist, die er im Leben einnimmt. Alle Menschen sind zu dem gleichen Recht erkoren und bestimmt und zugelassen zu der gleichen freien Wahl, durch den alles neu machenden Heilands- oder Erlösergedanken von Stufe zu Stufe weiter emporzusteigen bis zur Vollkommenheit.

Alle Sühne wird uns erlassen durch Ablaß, dadurch, daß wir ablassen von alledem, was uns bis jetzt gebunden gehalten hat. Zu diesem Ablaß ist ein jeder von uns berechtigt. Niemand kann davon ausgeschlossen werden, niemand kann ihn uns verweigern oder vermitteln, sondern jeder muß den Ablaß selbst vollziehen. Dann erst nimmt Gott in uns Wohnung, dann erst wird uns die Erkenntnis, daß Gott in uns ist, und dann erst bleiben wir verschont von all den Verblendungen der noch unentwickelten Menschen. Erst wenn ich Gott in mir erkenne, ist Gott mein Gott.

Ablaß hat nichts zu tun mit einem Ablaßzettel, den man sich kaufen kann. Ablaß ist der Zustand, in dem wir alles das aufgeben, was uns nicht dient zur Weiterentwicklung, was uns von keinem weiteren Nutzen ist. Das ist Ablaß oder Amnestie: abzulassen von allem, was auf uns geworfen worden ist und uns zurückhält. Das alles lassen wir hinter uns, weil es für die gegenwärtige Zeit nicht mehr für uns paßt, weil es sich nicht mehr verwirklichen läßt, also in das Gebiet der Illusion ober Halluzination gehört. Von alledem läßt man ab, bringt es sich nicht wieder in den Sinn, tischt es nicht wieder auf, sondern vergißt es.

Warum sich immer noch unterhalten über Dinge, die nicht aufbauend sind und uns schwächen und entmutigen! Warum noch von Schubkarren, Ochsenwagen, Eselsgespannen, Ochsenpflügen, Öllampen, Talglichtern reden, wenn uns nicht nur die Elektrizität und das Automobil geworden sind, sondern sogar die freie Energie, die uns frei macht von allen Syndikaten, Monopolen und Kartellen! Warum von Kohlenöfen und elektrischen Öfen reden, wenn sie uns doch nicht voll befriedigen! Warum Menschen dazu verdammen, Kohlen aus der Erde zu graben, wenn uns die freie Energie besseres Material zur Verfügung stellt und uns nicht nur Licht, sondern auch Wärme und Kraft bei Tag und Nacht gibt, so daß wir nicht einmal mehr Benzin zu tanken brauchen für unser Auto!

Es war der Gedanke, den viele hatten, daß es möglich sei, auf dieser Erde die Vollkommenheit zu erreichen; der Schriftsteller hat nur versucht, ihn zu verbildlichen, dramatisch zu gestalten. Die Juden brachten den Heilandsgedanken aus der babylonischen Gefangenschaft mit und hielten ihn aufrecht, bis dann schließlich sogar in einem Judenlande einer geboren wurde, dem das Bewußtsein aufging, daß er die Menschen auf ihren Ursprung aufmerksam zu machen hatte, daß der Mensch die in die Materie gekleidete Gottheit ist und nun diese Materie zu überwinden hat, um Größeres zu erzielen. Die Materie sollen die Menschen sich unterwerfen, aber nicht sich gegenseitig!

So wir mit diesem Gedanken der Erlöserschaft die Evangelien lesen, begreifen wir es, daß es sich darin um eine Person handelt, die uns ganz unmittelbar selbst angeht: der ganze Erlösungsplan dreht sich um das Individuum, dreht sich um mich. Wer die Aufgabe löst, dem wird die Erlösung; wer nach dem Plane handelt, der wird erlöst. Wenn das alle tun, wird es schließlich eine allgemeine Erlösung.

Zu allen Zeiten, da Unterdrückung herrschte, das Klassenwesen bestand, Ungerechtigkeit die individuelle Freiheit knebelte, entstand ein allgemeiner Drang auf Beseitigung dieser Zustände, weil es dem Menschen eingeboren ist, daß alle Menschen gleichen Ursprungs sind und daß sie das Leben hier auf Erden genießen sollen, wozu jedem einzelnen die Freiheit sein muß, von seinen Gaben und Talenten Gebrauch zu machen. Um das dem Menschen immer wieder in die Erinnerung zu rufen und immer klarer zu machen, feierte man das Weihnachtsfest als das Fest der Wiedergeburt des ewigwirkenden Gedankens im Menschen.

Zu der Zeit, als die Heilandsgeschichte spielte, waren viele dadurch zu Sklaven geworden, daß sie ihr Hab und Gut hatten verpfänden müssen und die Pfänder dann nicht einlösen konnten. Dann mußten sie sich auf Lebenszeit an ihre Gläubiger vermieten. Aber immer blieb einem jeden die Hoffnung, aus diesem Zustand wieder herauszukommen. Man dachte also damals viel moralischer und menschlicher als heute.

Die Geschichte, die uns in den Evangelien gegeben wird, macht uns außerdem darauf aufmerksam, daß das Heil einer Familie oder einer Nation von der Mutter abhängt. Da die Mutter Maria den Gedanken festhielt, daß aus ihr ein Sohn geboren werden sollte, der die Vollkommenheit darstellt, der furchtlos vor der ganzen Welt erklärt, daß der Mensch sein eigner Herr und sein eigenes Gesetz ist, mußte ein solches Kind hervorkommen wie der Heiland, vollkommen in jeder Beziehung.

Er ist aber nicht der einzigste Vollkommene, sondern ein Vorbild der Vollkommenheit. Denn er sagte selbst: "Größere Dinge als ich sollt ihr tun!" Denn ich bin alleinstehend in meiner Klasse, während ihr so manches voraus habt durch das Vorbild und die Lehren, die ich euch gegeben habe. Wir tun das ja auch schon bis zu einem gewissen Grade. Denn was der Heiland zu seiner Zeit nicht erringen konnte, ist uns jetzt möglich geworden, und der Möglichkeiten ist kein Ende.

Denn mutig schreiten wir immer weiter, erweitern die Errungenschaften des Alltagslebens und liefern dadurch den Beweis, daß der ewigwirkende Gedanke alles ermöglichen kann, und zwar um so mehr, je mehr wir uns freimachen von den Bürden, die man auf uns geworfen hat, und wieder »erstgeboren in uns selbst« werden. So wir diesen Gedanken fassen, wird es auch von uns heißen: "Er nahm zu an Gnade und Weisheit bei Gott und den Menschen."