Bei der 2. rhythmischen Atem-Übung steht man aufrecht. Die Arme lässt man entspannt und zwanglos an den Seiten des Körpers herabhängen. Den Kopf hält man hoch und zieht das Kinn soweit zurück, dass das Gesicht Unabhängigkeit und Selbständigkeit ausdrückt. Der Mund ist geschlossen, die Zahnreihen sind leicht getrennt und die Zungenspitze berührt leicht die untere Zahnreihe. Die Augen werden auf einen matten dunklen Punkt in Augenhöhe gerichtet; der Punkt soll nicht weiter als sieben Fuß oder 2 1/3 Meter entfernt sein. Der Körper ist entspannt und gelassen, nur das Rückgrat ist gerade und festgesetzt, weil es die Brücke zwischen dem Seelenzustand im Herzen und dem Gesinn in der Zirbel bildet.

Das Körpergewicht ruht auf den Ballen der Füße. Um dies anmutig und sicher ausführen zu können, schwingt man den Körper zunächst einige Male leicht vorwärts und rückwärts. Da bei Übungen im Stehen leicht Spannung in den Beinen entsteht, achten wir besonders darauf, dies zu vermeiden. Wir brauchen dazu nur die Lungen vollständig zu entleeren und gleichzeitig die Knie ein wenig, etwa einen Zentimeter, nach vorn zu beugen. Dadurch wird das Körpergewicht von selbst auf die Ballen verlegt, die Beine bleiben locker und man fühlt sich leicht und beweglich.

Nun bereitet man die rhythmischen Atemzüge wieder durch völlige Entleerung der Lungen vor, indem man zuerst sechsmal oder öfter kurz aus und ein, aus und ein atmet und die letzte Ausatmung so lange wie irgend möglich ausdehnt, bis die Lunge völlig entleert ist. Dann folgt die 7 Sekunden oder Pulsschläge lange Einatmung, während der man dem Atemstrome in Gedanken folgt und sich allmählich auf die Zehenspitzen erhebt, bis das ganze Körpergewicht auf ihnen ruht. Dann staut oder hält man den Atem für 1 bis 3 Sekunden und atmet 7 Sekunden oder Pulsschläge lang aus, während man gleichzeitig und allmählich den Körper in die Ausgangsstellung zurückgleiten lässt, bis das Körpergewicht wieder auf den Ballen ruht. Die Fersen dürfen den Boden zwar wieder berühren, tragen aber kein Gewicht.

Will man die Wirkungen dieser Übung erhöhen, so ballt man die Hände, während man sich auf die Zehenspitzen erhebt, allmählich zu einer festen Faust, also ohne Gewalt, und achtet darauf, dass sich außer den Muskeln der Hände keine anderen Muskeln des Körpers spannen. Unter keinen Umständen darf man die Zähne aufeinander pressen oder mit den Zähnen knirschen. Beim Einatmen werfen wir sozusagen die ganze Last des Körpers in die Faust, wobei der Druck in der Faust bei dem langsamen Emporheben des Körpers immer stärker wird. Alles andere aber muss sich ganz entspannen.

Während man die Fäuste ballt, achtet man darauf, dass die Fingerspitzen auf die Kopf- oder Gedankenlinie des Handtellers zu liegen kommen; dort bleiben sie liegen. Den Daumen legt man ganz entspannt über den Mittelfinger nach dem Ringfinger zu. Beim Ausatmen entspannen sich die Hände langsam im Rhythmus der Ausatmung. Man lässt also die Finger nicht plötzlich fallen, sondern bringt sie langsam wieder in ihre gewöhnliche Lage.

Bild: 2. Rhythmische Atem-Übung

Man ist sich also während der Übung nicht nur des Atems bewusst, sondern achtet auch noch auf die Hände, während man ein- und ausatmet. Beim Einatmen drücken die Fingerspitzen immer fester auf die Kopf- oder Gedankenlinie und der Daumen immer fester auf den Mittelfinger und beim Ausatmen lässt der Druck allmählich nach gemäß der Melodie, nach der man etwa ein- und ausgeatmet hat.

Die Übung soll nicht länger als 3 Minuten dauern; je 12 Ein- und Ausatmungen nehmen ungefähr 3 Minuten in Anspruch. Hat man sie bewusst, bedachtsam und wissenschaftlich befolgt, so spürt man schon nach diesen 3 Minuten eine gewisse Leichtigkeit im ganzen Körper, weil sein Gleichgewicht hergestellt worden ist. Es kann vorkommen, dass sich zunächst die Finger etwas steif fühlen, weil das Blut in die Hände strömt, so dass sie blutrot sind und erst nach und nach wieder weiß werden.

Deshalb kann man, nachdem man am Ende der Übung die Finger wieder in ihre gewöhnliche Lage gebracht hat, die Hände in die Höhe heben, während man sanft und leise ein Lied singt, z.B. „Ich will nicht rückwärts geh’n.“ Noch ehe man mit dem Lied fertig ist, sehen die Hände bedeutend weißer aus und sind schön fleischfarben geworden.

Die 2. rhythmische Atem-Übung hat die beste Wirkung am Morgen nach dem Erwachen. Unmittelbar nach einer Mahlzeit soll sie nie gemacht werden. Man kann sie aber gleich nach der 1. rhythmischen Atemübung vornehmen, vorausgesetzt, dass man diese wenigstens 2 Wochen gewissenhaft geübt hat und dass man mit Leichtigkeit je 7 Sekunden ein- und ausatmen kann.

Die 2. Übung kann man leicht während seiner täglichen Gänge vornehmen. Nachdem man sich durch die Übung daran gewöhnt hat, den Körper auf den Fußballen vorwärts und rückwärts zu pendeln, kann man dies auch beim Gehen durchführen. Man macht einige Schritte während des Einatmens, einige Schritte während des Atemstauens, einige Schritte während des Ausatmens und einige Schritte während des Atementhaltens. Die Schritte müssen langsam sein und dem Rhythmus des Herzens entsprechen. Schon nach einigen Versuchen erkennt man den unschätzbaren Wert der Übung, weil sie Elektrismus in den Füßen erzeugt, von dem das Gehör abhängig ist. Solches Gehen erzeugt in 10 Minuten mehr Nervenkraft und fördert die Gesundheit besser als stundenlanges gedankenloses Spazierengehen ohne Konzentration auf die Atmung.

Verbindet man auch mit der 2. Übung diese oder jene Melodie der Mazdaznan-Lieder, indem man ihrem Rhythmus bei der Ein- und Ausatmung folgt, dann ebnet auch sie uns den Weg zur höchst denkbaren Entwicklung, weil wir uns dann damit nicht nur naturgemäß und wissenschaftlich, sondern auch religiös-göttlich erziehen und uns alles in den Bereich der sinnlichen Wahrnehmung tritt, was uns vorher in unerreichbar weiter Ferne zu liegen oder in geheimnisvolles Dunkel eingehüllt zu sein schien.


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