1. O, kommt, ihr Getreuen, freudig triumphierend
o, kommt, o, kommet nach Bethlehem!*
Kommet verehren unsern Fürst der Ehren
2. Gott von Gott, Licht von Licht,
ja, wahrlich, aus Gott entstammt, empfangen,
Alpha-Omega, wieder eingeboren!
3. Wiederkunft Christi, aller Welt verkündend:
"Von allen Vergehen Vergebung!"
In unseren Herzen wählt er seine Wohnung !
Chor: O, kommt, lasst uns verehren (dreimal)
Christ, den Herrn !
* (Bethlehem bedeutet so viel wie "Ort der Hoffnung und Befreiung")
Ja, kommt und lasst uns ihn verehren, ihm Ehre erweisen, der uns offenbart das Leben, der nicht eine Person ist, sondern das Prinzip der Freiheit. Denn dass wir Christus verehren, betrifft nicht eine Persönlichkeit, sondern eine Offenbarung des Bewusstseins und der Erkenntnis, eine Botschaft. Wir verehren, halten in Ehren einen solchen Gedanken des Prinzips, das uns frei macht von allen Banden der Begrenztheit. So wir das erkannte Prinzip anbringen im Alltag, verehren wir schon dadurch Gott. Schon darin liegt die Verehrung der Gottheit, dass wir in der Natur alles anerkennen, in allem etwas Gutes, in allem eine Offenbarung finden, wie es schon der Mongole Konfuzius ausdrückte: "Predigten werden uns im Fließen des Baches und Offenbarungen im starrenden Stein."
In allen Dingen zeigen sich Offenbarungen. Das Leben hätte gar keinen Wert, so wir nicht in einer Atmosphäre von Offenbarungen leben könnten. Wenn wir uns erfreuen des rieselnden Baches, wenn uns Freude machen die Felsblöcke, wir uns ergötzen an den Gebirgszügen, lauschen den Wellen, die sich gegen die Ufer der Zeit schlagen, wenn uns beglückt der Anblick des Firmamentes mit all den Sterngebilden, wenn wir erblicken im Zunehmen und Abnehmen des Mondes das Ebenbild unsres Lebensweges, wenn wir den Segen des Lichtes und der Sonnenstrahlen erkennen, wenn uns alles Freude macht in diesem Leben: dann verehren und anerkennen wir zugleich auch den Ursprung des Lebens.
Auch in jedem Menschen können wir etwas schätzen, was uns zugute kommt, und wenn wir uns erinnern an das, was einer uns Gutes darstellt oder darzustellen sucht, bringen wir ihm wahre Verehrung entgegen. Wahre Verehrung liegt darin, dass man die in einem andern vorhandenen guten Eigenschaften anerkennt und sie sich verbildlicht. So ist man dann umgeben von all den Schätzen wertvoller Persönlichkeiten.
Das war auch die Idee mit den Heiligen, die das Ritualwesen vor uns stellt. Man sollte sich erinnern an den Charakter, die Eigenschaften, das Ziel und die Erfolge der Personen. Wenn wir an Reichtum denken wollen, dann denken wir an John D. Rockefeller, wollen aber doch nicht seine Millionen. Es genügt uns, dass er uns den Reichtumsgedanken aufrechterhält. Denn wir haben keine Zeit, durch alle die Geschäftsführungen hindurch zu gehen wie er. Er ist nun schon in die 90 Jahre (1932) und verwaltet seinen Reichtum immer noch für uns. Dadurch, dass wir ein Gemälde anerkennen, ehren wir zugleich den Künstler, selbst wenn wir seinen Namen nicht kennen. So wir uns gegenseitig bewundern, achten und ehren wir uns auch gegenseitig.
Wenn wir uns freuen, dass wir uns mit unsersgleichen begegnen, in die Augen schauen, von Antlitz zu Antlitz den Abglanz der Unendlichkeit erkennen dürfen, und unsre Herzen zueinander schlagen fühlen, dann werden wir uns schließlich anstelle der vielen Herzen nur noch des einen Rubinherzens der Gottheit bewusst und der ewigen Seelenverwandtschaft, in die wir von Ewigkeit her einbezogen sind, die weiter besteht, die niemand zerreißen kann und die ewig bleibt, sodass wir, wo immer wir uns offenbaren, uns umgeben finden von denen, die unseresgleichen sind.
Denn was einst war, besteht weiter fort; das liegt in der Natur der Sache. Deshalb finden wir immer wieder die, die sich zu uns angezogen fühlen und die von allem Anfang her die innere Gemeinschaft Gottes ausgemacht haben. Denn der Gedanke kennt keine Grenzen und keine Örtlichkeiten, keinen Anfang und kein Ende, sondern ist gegenwärtig. Wenn wir uns seiner in uns bewusst sind, dürfen wir in uns, um uns, rechts, links, oben, unten oder in irgendeiner Richtung die Regionen betreten und in Erfahrung bringen, was nur immer in den Weltallen existiert.
Immer wieder kommt man zurück zum ewigwirkenden Gedanken, aus dem und durch den alles entsteht. Doch wir dürfen ihn nicht suchen, sondern müssen ihn in uns erfassen. So wir uns auf die Suche nach ihm begeben und doch zu einer Zeit nur in einer Richtung gehen können, geht uns der Urgrund verloren mitsamt der Umgebung, da wir nur eine gewisse Richtung eingeschlagen haben. Das merken wir doch schon, wenn wir uns der einen oder der anderen Richtung im Alltagsleben anketten.
Dann werden wir in der Richtung geschleppt oder getrieben, der wir uns angeschlossen haben. Der Mensch aber muss frei sein und darf sich keiner Richtung anschließen, sondern muss das Zentrum seines eignen Wesens bilden.
Wer ist das Zentrum? Ich bin es, wie schon Moses sagte: "Ich bin der, die, das Ich-Bin. Ich-Bin — der Herr, dein Gott; du sollst keine andern Götter vor dir haben." Sonst sind wir schon Götzendiener geworden, sind uns nicht mehr gewahr der Wahrheit und gehen verloren. Es kann nur einer sein, der da Gott ist, und Gott drängt sich nicht auf, sondern ist ein Zustand der individuellen Erkenntnis oder das Bewusstsein, dass ein jeder von uns Gott darstellt. Wir sind nicht Gott, stellen aber die Gottheit dar. Das große Ganze kann sich nicht in einem Einzelnen offenbaren; aber durch jeden Einzelnen kann das große Ganze offenbar gemacht werden, wenn wir uns nur behaupten und den Zentralpunkt alles Wesens auszumachen lernen.
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