IM REICH DER SINNE: 4. Lektion – Willens- und Widerstandskraft, Geschmackssinn, Telepathie

Die Pflege des individuellen Atems und die naturgemäße Ernährung legen den Grund für die Weiterentwicklung des Gehirns. Denn der Mensch vereinigt in sich eine endlose Reihe von Intelligenzen ätherischer Natur und eine endlose Reihe von Elementarien atomistischer Natur. Deshalb muss er beiden Richtungen, dem Materiellen und dem Geistigen, seine Aufmerksamkeit schenken, damit ihm das Dasein auf Grund der Naturgesetze möglichst lange sichergestellt ist. Zwei einfache alltägliche Betätigungen setzen den Menschen also instand, beiden Richtungen gerecht zu werden: Atmung und Ernährung.

Der Atem zieht die Ätherwellen an sich, die alle Elemente mit sich tragen, die zur Schöpfung und Entwicklung führen, und die Lungen halten die Elemente fest, die dem Fortschritt dienen, die Gehirnintelligenzen anregen, die Lungenmuskeln bestärken, die Nervenfluida vermehren und das Blut reinigen, sodass das Blut allmählich sein richtiges spezifisches Gewicht erhält. Dadurch hat es das Herz leichter, das Blut zu verteilen, und solche negativen Zustände wie Unsicherheit, Unentschlossenheit, Ärger, Aufregung, Furcht verlieren sich.

Die Ernährung hält das Körperwesen aufrecht, gesund und jugendfrisch, wenn wir die Naturgesetze einhalten, die höchst einfach sind. Jede Jahreszeit bringt ihre eigenen Erzeugnisse hervor. Deshalb sollten wir uns grundsätzlich an die Erzeugnisse der Jahreszeit halten, die unsere Zone und unsere Gegend hervorbringen und uns eine natürliche Abwechslung vermitteln. Südfrüche dienen zur gelegentlichen Abwechslung, als Ausscheidungs- und Stärkungsmittel. Schon nach kurzer Zeit naturgemäßer Ernährung wird der Eingebungssinn rege und bestimmt mit Hilfe des abwägenden Denkens die Nahrung, die unserm jeweiligen Zustand und Bedürfnis entspricht. Dadurch werden wir immer sicherer in der Auswahl der Speisen, da uns der Eingebungssinn schließlich so sicher leitet, wie das Tier vom Instinkt geleitet wird. Dann wählen wir uns aus der unerschöpflichen Fülle der Schatzkammer der Natur das aus, was den Körper in allen seinen Teilen in Tätigkeit und gesund erhält.

Übergeben wir uns aber einseitig nur einer Richtung, dann muss unser Leben sein Ziel verfehlen. Nur atmen zu wollen, und wenn es gleich in Form von Gebeten, vielleicht sogar vermittels einer indischen Gebetsmühle geschähe, würde uns der körperlichen Leistungsfähigkeit berauben. Würden wir unsere ganze Aufmerksamkeit und Sorge nur dem Essen widmen, wie es heute durchschnittlich geschieht, so steigert sich der an sich natürliche Selbsterhaltungstrieb zur Selbstsucht, zum Neid, zum Verbrechen, zur Gewalttätigkeit, zur Unterdrückung und zum Krieg.

Es kommt sogar nicht selten vor, dass jemand, der die Atempflege mit großer Gewissenhaftigkeit aufnimmt, regelmäßig durch seine Übungen geht und von Tag zu Tag geistige Fortschritte verzeichnet, plötzlich an einen Punkt kommt, wo das Intelligenzwesen erlahmt und sogar körperliche Hemmungen auftreten. Das beweist, dass er zwar die Lungenkraft erweitert, aber die Ernährungsregeln vernachlässigt hat.

Ebenso häufig kommt es vor, dass jemand, der die Ernährungsregeln so gewissenhaft befolgt hat, dass er zunächst seine Krankheit zum Stillstand brachte und sie überwand und sogar durch die Umwandlung der Nahrungsstoffe eine gewisse Veredlung und Vergeistigung seines Körperwesens erreichte, also gute Fortschritte machte, unerwartet an einen Punkt kommt, wo er stillzustehen scheint und kein geistiges Wachstum mehr verspürt. Das beweist, dass er wohl auf die Ernährung geachtet, aber die Lungentätigkeit nicht genügend gefördert hat.

In beiden Fällen fehlte einfach der Ausgleich und deshalb musste der Fortschritt zum Stillstand kommen. Aber Atemkunst und bewusste Ernährung im Bunde miteinander verhelfen uns zur Verlängerung und Vervollkommnung des Lebens.

Deshalb sind die bewusste Atempflege und die bewusste Ernährung so wenig voneinander zu trennen wie Wissenschaft und Glauben, Natur und Intelligenz, Mensch und Gott, und vereint ebnen sie uns den Weg zum Fortschritt bis zur Vollkommenheit. Den ersten Schritt auf dem Wege zur Vollkommenheit haben wir gemacht, sobald wir aufhören, Fleisch und Blut unserer Mitgeschöpfe als Nahrung zu benutzen, sobald wir uns den Erzeugnissen des Pflanzenreichs als Nahrungsmitteln zugewandt und außerdem gelernt haben, den Atem zu beherrschen, können wir uns auch von allen körperlichen Belastungen freimachen.

Aber die allermeisten Menschen sind vom Wege der Vollkommenheit soweit abgewichen, dass sie die Atempflege überhaupt vergessen und sich gegen alle Gesetze der Natur ernährt haben. Infolgedessen sind die Verdauungsorgane überanstrengt und geschwächt, das Drüsensystem überreizt oder gelähmt und die Gesamtentwicklung aufgehalten, wenn nicht gar zum Stillstand gebracht worden.

Sobald wir die Lungen studieren, erkennen wir, dass unser Blutlaufsystem von der richtigen Umwandlung des Atemstroms und der Sättigung des Blutes mit Sauerstoff abhängt, wobei der atomistische Sauerstoff zerlegt wird und Helium, Radium, Barium und die vielen anderen atomistischen Elementarien abgibt, die auf Leukokytos, das magnetische Feld der Blutkörperchen, einwirken.

Die verbesserte Atmung und der rhythmische Blutumlauf lenken nicht nur die Elemente des Atemstromes, sondern lassen diese auch so belebend auf die roten und weißen Blutkörperchen einwirken, dass diese die Belebung auf die Nervenzentren weitergeben. Dadurch vermehrt sich gleichzeitig das Nervenfluidum, das wiederum die Drüsensubstanzen belebt. Diese wiederum elektrifizieren die entsprechenden Gehirnteile und machen sie dadurch empfänglich für die Ausstrahlungen des Gesinnes, das seinen Sitz in der Zirbeldrüse hat.

Die Höherentwicklung des Menschen liegt in der Richtung der Entwicklung nicht größerer Muskelkräfte, sondern größerer Denkfähigkeit und diese ist von der Atemfähigkeit abhängig. Ein gebrechlicher, empfindlicher und organisch schwacher Körper kann über eine starke Denkfähigkeit verfügen, weil eine kräftige Atemfähigkeit vorhanden ist. Deshalb finden wir oft, dass Menschen von kleiner Gestalt und unscheinbarem Äußeren, aber mit gut entwickeltem Gehirn erfolgreiche Geschäftsleute oder große Gelehrte sind.

Wenn wir vorwärts kommen und Schritt halten wollen mit dem Zeitgeist und dem Erfindergeist, müssen wir unsere Denkfähigkeit höher entwickeln. Wir müssen fähig sein zu denken und zu denken, woran wir denken. Der einzige Weg, auf dem wir zu erwachsenem, vorurteilslosem, duldsamem, freiem Denken gelangen können, ist die Erweiterung der Lungentätigkeit, die uns Gedanken- und Willenskraft vermittelt.

Wir dürfen uns also, wenn wir das Atemstudium ernstlich aufnehmen, auch nicht mit einem Erfolg auf gesundheitlichem Gebiete begnügen, sondern müssen danach trachten, mit Hilfe der Atempflege immer neue Fähigkeiten und Kräfte des Gehirnes und Gesinnes zu entwickeln, damit wir zwar den gegenwärtigen Anforderungen vollauf gerecht werden, aber zugleich in die Zukunft blicken und uns rüsten für die künftigen Anforderungen.

Der Mensch ist die höchste Erscheinungsform des Atems auf diesem Planeten. Das Tierreich gehört zwar der äußeren Erscheinung nach zu derselben Klasse, besitzt aber nur eine begrenzte Entwicklungsmöglichkeit seiner Gehirnintelligenzen. Auch die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschen entsprechen dem Schwingungsgrad seiner Atemkraft. Je tiefer die Atemschwingungen, umso geringer sind seine Fähigkeiten und Möglichkeiten. Verbessern, erhöhen sich die Atemschwingungen, dann erweitern sich auch die Fähigkeiten und Möglichkeiten und dem Menschen sind, im Gegensatz zum Tiere, in dieser Richtung keine Grenzen gesetzt.

Höhere Gedanken können nur in einem Gehirn entstehen, das von einem tiefen, vollen Atem versorgt wird. Ein kurzer Atem lässt nur kurze Gedanken aufkommen, mit denen Nervosität und Reizbarkeit parallel laufen. Die Lehren eines tiefatmenden Philosophen bleiben lebendig auch nach seinem Tode, während die blendenden Äußerungen eines kurzatmenden Politikers, wie großes Aufsehen sie auch zu seiner Zeit erregt haben mögen, mit seinem Dahinscheiden rasch in Vergessenheit versinken.

Die modernen Philosophen und Theologen gebrauchen anstelle des Wortes „Atem“ das Wort „Geist“, kommen aber dabei zu falschen Vorstellungen und Schlüssen, weil sie den wirklichen Sinn des Wortes „Geist“ nicht erfasst haben. Jesus und die alten Griechen benutzten für das deutsche Wort „Geist“ das griechische Wort „Pneuma“, das soviel bedeutet wie „Atem“, der den Geist des Lebens mit der Einatmung oder Inspiration an sich zieht und ihm mit der Ausatmung oder Exspiration zur Offenbarung verhilft. Alle Inspiration geht vom Universum zum Menschen oder zum Individuum und alle Offenbarung geht vom Individuum zum Universum. Deshalb sind Universum und Individuum im Grund eins und die scheinbare Zweiheit gehört nur der Erscheinungswelt an.

Der Wille, unsere Fähigkeiten anzubringen, ist von unserm Blutlaufwesen abhängig, von diesem ist das Nervenwesen und von diesem das Drüsenwesen abhängig, das die ätherischen Belebungsstoffe in das Gehirn liefert. Es hängt also von unserm freien Willen ab, ob und was wir zur Belebung unserer Gehirnintelligenzen tun. Weder die Natur noch Gott drängt uns diese Belebung auf. Die Intelligenz einer jeden Gehirnzelle wartet, dass wir ihr eine Möglichkeit bieten, sich zu erweitern, damit sie zum Vorschein bringe, was sie innehält. Durch die täglichen rhythmischen Atemübungen bestärken wir unsere Willenskraft, die den Körper kontrolliert und die Muskeln strafft.

Der Durchschnittsmensch freilich will gar nicht heraus aus dem Alten. Er hört wohl von diesem und jenem und erkennt auch den Vorteil, der damit verbunden ist. Er bringt aber nicht die Willenskraft auf, dem Altgewohnten zu entsagen. Deshalb bleibt er trotz seiner besseren Erkenntnis bei seinem Schoppen, seiner Bretzel, seiner Bratwurst, seinem kalten Aufschnitt, seinem Lädchen, seinem ererbten Häuschen. Solange kann man ihm nicht helfen, bis sein eigener Wille erwacht. Dann erst kann man ihm eine hilfreiche Hand reichen.

Aber alle, die wirklich vorwärts wollen, raffen sich auf und widmen sich der bewussten Atempflege mit voller Hingabe. Die 3. rhythmische Atemübung bezweckt hauptsächlich, das Denkenswesen mit dem Verstand und der Vernunft hinter der Stirnmitte zu wecken und die Gehirnintelligenzen zur Konzentration zu erziehen. Die 4. rhythmische Übung bezweckt, dem Willen Einfluss auf die Muskeln und Körperorgane zu verschaffen. Dazu müssen wir solche Bewegungen ausführen und solche Stellungen einnehmen, die die Muskeln völlig entspannen und dem Nervensystem größere Freiheit gewähren, elektrische Kräfte zu erzeugen und dadurch den Muskeln neue Kraft zuzuführen.

Wenn wir eine Warnung bekommen, dass wir über unsere Kräfte hinausgegangen sind, sei es in Gestalt von Krankheit oder Unwohlsein, sei es in Gestalt von Sorgen oder Schmerzen, Not oder Gefahr, Fehlschlag oder übergroßem Erfolg, Armut oder Überfluss oder ähnlichen extremen Zuständen, dann ist etwas in Unordnung bei uns, das der Beseitigung bedarf wie der Schaden an einem Haus. Wenn unsere Organe ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen, dann dürfen wir ihre Kräfte nicht länger ausnutzen, sondern müssen ihnen Ruhe geben, sie pflegen und durch entsprechende Atemübungen ihre verbrauchten Kräfte ergänzen. Diesem Zwecke dient auch die 4. rhythmische Atemübung, die durch ihre Bewegungen und Stellungen das Gleichgewicht in den Organen herstellt, sodass sie wieder zu Kräften kommen oder den Kräftevorrat vermehren und unter die Kontrolle unseres Denkenswesens und unseres Willens kommen.

Von Dr. O. Z. A. Hanish.
Auszüge aus der Mazdaznan-Atem- und Gesundheitskunde. Ausgewählt und bearbeitet von Jens Trautwein.
Foto: Adobe Stock © Hero Images/Hero Images

Hier geht es weiter mit der 4. rhythmischen Atemübung.


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