Die Küche der Neuzeit

Das Tempo unserer Zeit wird heute von vielen Menschen als sehr nachteilig für die Entwicklung dieser Erde und ihrer Bewohner gehalten; die Zeit sei schlimm! Der Arbeitseinsatz sei mehr denn je übersteigert, die Begleitumstände seien zermürbend. Ähnliche Klagen hat es zu allen Zeiten gegeben. Sie sind nutzlos. Was nicht die Kraft hatte und hat, mit der Zeit Schritt zu halten, gehört der Vergangenheit an. Die Zeit verlangt von jedem Menschen ganzen Einsatz. Das war gestern so und ist es auch heute – für das Morgen.

Es gilt allerdings, unnötige Belastungen auszuschalten, nutzlosen Verschleiß der Kräfte zu vermeiden. Da spielt eine richtige, das heißt den Anforderungen der Zeit gerecht werdende Ernährung eine wichtige, ja ausschlaggebende Rolle. Zu einer solchen Ernährungsweise leitet die „Küche der Neuzeit“ auf einfache, praktische, wirkungsvolle Art an. Richtet man sich danach, so stellt man nach kurzer Zeit fest, dass man sich leichter fühlt und den an einen gestellten Anforderungen viel besser gerecht werden kann. Die Sucht nach mehr und stärkeren Reizmitteln, die Lust nach pervertierten Nährmitteln wird geringer und verschwindet, ohne dass man sich wahren Genuss versagen muss.

Bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln kommt es auf eine möglichst schonende, werterhaltende Behandlung der Nahrungsstoffe, vor allem auch der so wichtigen Ergänzungsstoffe (= Vitalstoffe) an. Die Vitalstoffe (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente usw.) sind sehr empfindlich und können durch falsche Behandlung vollständig zerstört werden. Dies ist besonders bei der Zubereitung von Gemüse- und Obstspeisen zu beachten. Bei Körnerfrüchten (Getreide) und Hülsenfrüchten kann sachgemäße Zubereitung den Wert noch steigern. Weicht man zum Beispiel Hülsenfrüchte oder Weizen 24–36 Stunden in Wasser ein, so fängt der Samen an zu keimen, wenn auch noch nicht für das Auge sichtbar, und die Körner werden an Vitalstoffen bereichert. Außerdem werden sie so schneller gar, vollständig aufgeschlossen und leichter verdaulich.

Gemüse sollte nie mit Wasser gekocht werden. Wird Gemüse im Wasser abgekocht oder zu lange gekocht, so gehen die Vitalstoffe fast vollständig verloren. Deshalb kochen wir nicht, sondern wir dünsten, dämpfen oder backen in der neuzeitlichen Küche. So zu kochen, dass wertvolle Salze, Mineralien und Wirkstoffe in den Speisen möglichst erhalten bleiben, gibt wohlschmeckende, gut bekömmliche, gesunde Gerichte und ist wirkliche Kochkunst.

Durch das Abbrühen der Gemüse gehen die wertvollen Salze und Mineralien zum größten Teil verloren. Wenn Gemüse in Wasser gekocht wird, dringt heißes Wasser in die Zellen ein, diese platzen und werden ausgelaugt. Kocht man Gemüse mit Kochsalz, dringt auch dieses in die Zellen und laugt sie aus, indem die organischen Salze der Gemüse sich mit dem anorganischen Kochsalz verbinden. Das so ausgelaugte Gemüse wird relativ wertlos und schwer verdaulich. Auch Rohkost soll nicht gesalzen werden. Geben wir zum Beispiel auf gehobelten Rettich etwas Salz, so bildet sich in kurzer Zeit Flüssigkeit: Die Zellen platzen und der Saft läuft heraus. Wo Salz nötig ist, verwenden wir mit Vorzug Meersalz, natürliches Steinsalz, Selleriesalz oder Kräutersalz.

Salzen wir das Gemüse vor dem Dämpfen oder Dünsten, so haben wir eine ähnliche Wirkung. Durch das Erhitzen gehen die besten Stoffe verloren. Dünsten und dämpfen wir aber ohne Salz und ohne Wasser (ein wenig Wasser kann zum Andampfen genommen werden), so haben wir ein wertvolles, wohlschmeckendes Gericht, dessen Eigengeschmack noch gehoben werden kann durch Beigabe von passenden Kräutern und Gewürze kurz vor dem Anrichten.

Besonders zu beachten bei der Zubereitung der Speisen ist die Verwendung von einwandfreiem Fett und Öl. Man verwende daher kaltgepresstes Öl und Pflanzenfett. Auch frische oder geklärte Butter kann gebraucht werden.

Chemisch behandelte Nahrungsmittel unter Zusätzen von Konservierungsstoffen, Farbstoffen, Geschmacksverstärkern etc. sind nicht nur im Wert herabgesetzt, sondern schädlich.

Soweit möglich sollte man frisches Obst und Gemüse verwenden und nur ausnahmsweise Konserven. Die beste Methode, Gemüse haltbar zu machen, ist sie milchsauer einzulegen oder tiefzukühlen. Sauergemüse, Sauermilch und alles natürlich Gesäuerte ist dem Organismus besonders zuträglich und sollte den täglichen Speisezettel in der einen oder anderen Form bereichern.

Frisch geerntetes Gemüse, besonders Blattgemüse, Salate, Kräuter, ist wertvoller als gelagertes Gemüse. Gemüse, das welk ist oder gar anfängt zu faulen, ist wertlos. Zur Ernährung ist das Beste gerade gut genug und auf die Dauer auch das Billigste. Wo immer möglich, verschafft man sich Gemüse, das nicht mit Jauche und chemischen Treibmitteln hochgetrieben wurde, denn solches Gemüse fault schnell und riecht schlecht. Viele Reformhäuser und Bioläden führen einwandfreies Gemüse oder geben gerne Auskunft, wo solches erhältlich ist.

Wer seine Verdauungsorgane nicht überlasten will, tut gut daran, Zwischenmahlzeiten zu meiden. Ein leichtes Frühstück (wenn überhaupt), Mittagessen und Abendessen genügen für einen erwachsenen Menschen vollkommen. Kinder im Wachstum brauchen selbstverständlich mehr, ebenso Menschen, die schwere Arbeit verrichten.

Zusammenstellung der Mahlzeiten

Zu beachten ist schließlich die Zusammenstellung der Mahlzeiten. Soll die Mahlzeit nicht belasten, so sollte vor allem nicht zu viel gemischt und verquacksalbert werden; man sollte Salat als Salat, Kartoffeln als Kartoffeln, Spinat als Spinat essen. Manche Speise wird schwer verdaulich, wenn sie mit einer anderen zusammen gegessen wird, die denselben Gehalt hat, in der Zusammensetzung aber verschieden ist. Andere Speisen erzeugen Blähungen, wenn sie mit nicht zu ihnen passenden Speisen gegessen werden. Zum Teil ist dies individuell (von Mensch zu Mensch) verschieden. Doch gibt es einige allgemeine Grundsätze, die wir hier festhalten wollen:

Innerhalb derselben Mahlzeit passen schlecht zusammen:
• Milch und vergorener Käse (Hartkäse) – Frischkäse (Quarkkäse) und Milch wiederum gehen gut zusammen.
• Milch und Eier.
• Vergorener Käse (Hartkäse) und Eier.
• Eier oder Käse und Pilze. Überhaupt sei man zurückhaltend im Kombinieren stark eiweißhaltiger Nahrungsmittel. Diese Regeln gelten aber nicht, wo diese Eiweißträger durch Kochen (z. B. in Soßen) eine Verbindung eingegangen sind.
• Gemüse mit Steinobst (Pflaumen, Kirschen usw.) oder Birnen, vor allem nicht rohes Gemüse mit rohem Obst. Ausgenommen von dieser Regel sind einerseits die Zwiebeln und andererseits die Äpfel, Zitrusfrüchte (Zitronen, Grapefruits, Apfelsinen) und Beeren aller Art, die sich mit Gemüse innerhalb einer Mahlzeit gut vertragen.
• Schon aus natürlichem Empfinden wird man innerhalb einer Mahlzeit Kartoffeln nicht mit Getreiden oder Hülsenfrüchten kombinieren.

Von allen tierischen Produkten macht man mäßigen Gebrauch. Bei sorgfältiger Auswahl und richtiger Zubereitung der vielen pflanzlichen Nahrungsmittel, die uns zur Verfügung stehen, kann man Milch und Eier zeitweise ganz entbehren, ohne Schaden zu nehmen. Fleisch ist ein Reiz- und Suchtmittel und für den Menschen kein natürliches, aufbauendes Nahrungsmittel. Dafür wurden genügend Beweise geliefert. Dass man ohne Fleisch gut leben kann, beweisen Abermillionen von Menschen auf der ganzen Erde und unter allen Völkern.

Es ist wichtig, dass man sich die nötigen Grundkenntnisse über die Nahrungsmittel, ihre Auswahl und Kombination aneignet. Zu verwerfen ist aber jede Pedanterie. Der natürliche Instinkt und der gesunde Menschenverstand leiten uns oft besser als alle Theorie. Mäßigkeit, die nötige Ruhe und Gemütlichkeit beim Essen tragen mehr zu unserem Wohlbefinden bei als Verdauungspillen. Wer sich hemmungslos dem Ess- oder besser Fresstrieb hingibt, darf sich nicht wundern, wenn die Verdauungsorgane nach einiger Zeit ihren Dienst versagen. Man muss sich eher darüber wundern, was der Körper alles hinnimmt und ertragen kann. Dieser ist doch – als Instrument des Geistes und Träger der Seele – das wertvollste Gut, das wir auf Erden besitzen. Würden die Menschen zu dieser Einsicht kommen und der Pflege von Körper und Nahrung die nötige Aufmerksamkeit schenken, so wäre manches Rätsel gelöst, das nur auf diesem Wege gelöst werden kann.

Rohkost

Wissenschaftlich zubereitete Rohkost ist unentbehrlich, wenn wir körperlich und geistig gesund und leistungsfähig bleiben wollen. Die in den Pflanzen und Samen sowie im Obst enthaltenen lebenswichtigen Vitalstoffe sind sehr empfindlich und können bei falscher Behandlung zerstört werden und ihre Wirkung verlieren. Schon durch Erhitzen werden die Ergänzungsstoffe zum Teil zerstört, deshalb sollte man zu jeder Mahlzeit etwas Rohkost nehmen.

Rohkost ist nicht nur ein wichtiges Nahrungsmittel, sondern auch eine natürliche Medizin. Sie regt die Verdauung an, erfrischt und sättigt. Ist man nach dem Essen müde, hat man zu viel schwer verdauliche Speisen gegessen. Und hat man nach dem Essen Verlangen nach Genuss- und Reizmitteln, so war das Essen nicht wissenschaftlich zusammengestellt und zubereitet; der Körper ist nicht befriedigt.

Rohkost sollte nicht mit scharfen, ätzenden Mitteln zubereitet werden. Salz und Essig zerstören die feineren Stoffe der Rohkost und deren Aroma, und die Rohkost erfüllt so ihren Zweck nicht mehr richtig. Essig sollte – wenn überhaupt – nur als Potenz verwendet werden, besser ist Zitronensaft. Rohkost, richtig zubereitet, ergänzt mit frischen Getreideflocken, erzeugt im Körper alle biochemischen Salze (Saline). Das Geld für Tabletten können wir uns sparen. Als Säure nimmt man mit Vorteil Zitrone oder auch Molke. Werden die Zitronen gebacken, ist der Saft noch wertvoller, besonders weil bei uns kaum je ausgereifte Zitronen auf den Markt kommen. Der Saft gebackener Zitronen treibt Säuren und Salzablagerungen aus dem Körper.

Salatkombinationen

Man kann mehrere Blattsalate zu einer Rohkost nehmen, beschränkt sich aber in der Regel auf eine Art Wurzeln. Als Ergänzung zur Rohkost eignen sich Puffmais, frisch geschroteter Weizen, frische Weizenkeime und Getreideflocken aller Art.

Beispiele zur Kombination von Rohkostplatten:
• Kopfsalat, Spinat, Sauerampfer, Radieschen mit Schafgarbe und Schnittlauch.
• Endivien, Rotkrautsalat, geriebener Sellerie, Blumenkohl.
• Endivien, Zucchetti, Sauerkraut, geriebene Möhren (Karotten).

Salatbeispiele:
• Fein geriebener Rettich kann ganz natur oder mit etwas Sahne oder Olivenöl zu Salatplatten verwendet werden.
• Fenchelsalat. Fenchel gut reinigen, die äußere harte Schale entfernen und die Fenchelknolle in feine Scheiben hobeln; fein geschnittene Zwiebeln, Schnittlauch und Petersilie dazu geben und mit einer einfachen Salatsoße anmachen.
• Sauerkraut mit Möhren (Karotten). ⅓ fein geriebene Möhren und ⅔ Sauerkraut mit fein geschnittenen Zwiebeln und Öl mischen. Besonders zu empfehlen, wenn das Kraut älter und zu sauer ist, die Karotten gleichen die Säure aus. Eine andere Art ist es, Sauerkraut mit süßer Sahne zu mischen, das mildert die Säure.

Salatsoßen:
• 1 Esslöffel Zitronensaft mit 3 Esslöffel kaltgepresstem Olivenöl und etwas Meersalz schlagen.
• Saft einer Apfelsine (Orange) mit 2 Esslöffel kaltgepresstem Olivenöl gut schlagen.

Von Frieda Mangold.
Auszüge aus „Die Küche der Neuzeit“.
Foto: Adobe Stock © monticellllo