1. Kapitel der Mazdaznan-Ernährungskunde
Der Mensch ist nicht auf Erden, um alles, was Wald, Wiese, Feld oder Garten abwerfen, in seinem Magen wie in einer Art Futterspeicher zu sammeln, auch nicht dazu, um eine Art Kirchhof oder Friedhof für tote Tiere zu sein. Vielmehr soll er hier auf Erden die Macht des Geistes über die Materie beweisen.
Dazu muss er sich der Unbegrenztheit des Gesinnes, der Seele, des Geistes und der Individualität oder Entität seines Wesens bewusst werden und lernen, nicht nur das Zeitliche und Vorübergehende zu genießen und sich daran zu erfreuen, sondern auch das ewige Leben zu leben und ein Zeuge des lebendigen Gottes zu sein.
Die menschlichen Hauptfähigkeiten liegen nicht im Magen oder im Verdauungskanal, sondern im Gesinn des Menschen, das keine Begrenzungen kennt, weil es ihm das objektive und das abstrakte Denken zugleich ermöglicht. Er kann nicht nur alles Irdische begreifen und das Himmelsgewölbe erforschen, sondern sich auch vermittels der Wieder-Erinnerung alle Schöpfungs- und Entwicklungsvorgänge aller Zeiten vergegenwärtigen.
Um sich der Wieder-Erinnerungs-Gabe bewusst zu werden, muss er seine Aufmerksamkeit auf sein höheres Wesen lenken, also aufhören, sich als ein minderwertiges, bedauernswertes Geschöpf und als ein Herdenwesen zu betrachten. Er muss wieder seinen Verstand und seine Vernunft gebrauchen, sich aufrichten, und seinen Gedankenlauf prüfen, ehe er handelt. Dann kommt es ihm von selbst, dass er nicht jeden erreichbaren Futtertrog wie ein Schwein leermachen und alles nur Mögliche ohne eine Spur von Denken oder Dankbarkeit wie Spülwasser hinunterlaufen lassen darf.
Als ein göttliches Wesen muss der Mensch denken, abwägen, überschlagen, vergleichen, schlussfolgern und dementsprechend handeln. Seine höheren menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten machen es ihm zur Pflicht, ein höheres Ziel ins Auge zu fassen und nach dem Edelsten zu streben, das nur das Erdendasein zu bieten vermag. Nur ein besseres Kleid anzulegen, um als etwas Besseres zu erscheinen, nutzt ihm dabei nichts; die Besserung muss von innen her beginnen. Deshalb muss der Mensch auch seine Ernährungsweise mit dem Gedanken, mit dem Geiste durchdringen, muss aus dem Futtertrog heraussteigen, sich Zucht und Ordnung im Essen angewöhnen und das auswählen, was ihm die natürliche Zellenbildung, den Gewebeaufbau und die Belebung der Energien und Intelligenzen des Zellenwesens vermittelt.
Er muss vor allem auch sein Temperament kennen und berücksichtigen und muss lernen, seinen besonderen , gemäß zu leben und zu jeder Jahreszeit das zu wählen, was seinen besonderen Verhältnissen angemessen ist. Er darf sich nicht auf eine einseitige Ernährung festlegen, weil sein vielseitiges und in beständigem Wandel begriffenes Körperwesen , braucht. Denn in der Abwechslung liegt die Würze des Lebens, das heißt, die Abwechslung verbürgt ihm das Maßhalten, wovon sein Fortschritt abhängt.
Im Alltagsleben des Durchschnittsmenschen ist das Essen die wichtigste Angelegenheit. An jeder Straßenecke starrt ihm eine Reklame entgegen, die ihn unmissverständlich zum Essen auffordert. Aber das gedankenlose Vielessen hat gesundheitsschädliche Folgen, unter denen die Menschheit nicht nur in der Vergangenheit gelitten hat, sondern bis auf den heutigen Tag sogar in einem Ausmaße leidet, das sich jeder Berechnung entzieht.
Dadurch ist das Essen geradezu zu einem Feind des Fortschrittes und der Kultur geworden. Es ist das Mittel, das oberflächlich und beschränkt denkende Menschen mit großer Geschicklichkeit handhaben und sich dadurch als die besten Mitarbeiter des Widersachers erweisen, den man gewöhnlich Satan nennt. Die Esslust ist der schwache Punkt im menschlichen Gehirn, der sich beeinflussen lässt vom Magen und anderen mit dem Magen zusammenhängenden Stellen des Organismus, und dieser schwache Punkt hat seine Ursache im Intussuszeptions-Vorgange des Protoplasmas, von wo aus er sich auf alle Gebiete überträgt, auf denen Protoplasma, das von Natur aus stofflichen Einflüssen nachgibt, wirksam wird.
Durch diesen Intussuszeptionsvorgang ist das Essen auch für das Wachstum und die Entwicklung des Menschen zu einem notwendigen Übel geworden. Aber auch wenn wir damit rechnen müssen, so ist das kein Grund, unvernünftigen Begierden und Übertreibungen aller Art nachzugeben, anstatt von den Kräften Gebrauch zu machen, die den Einfluss dieses Zustandes einzudämmen vermögen, der so nachteilig für unseren Fortschritt und unsere Freiheit sein kann. Denn der Arme wird ärmer, wenn er sich den Reizen der Esslust ergibt und sich dadurch seines freien Willens und seiner freien Wahl beraubt.
Vom wissenschaftlich forschenden Verstand kann es nicht geleugnet werden und wird es nicht geleugnet, dass die gedankenlose Befriedigung der Esslust das größte Übel in der Welt ist, weil es körperliche und geistige, individuelle und soziale, nationale und rassische Einseitigkeit mit den entsprechenden Störungserscheinungen verursacht, wie Krankheit und Denkunfähigkeit, Überheblichkeit und Klassengeist, Eroberungssucht und Kulturverfall.
Wenn das Essen denn schon ein notwendiges Übel ist, dann sollten wir wenigstens den Grund ausfindig machen, warum das so ist, und wenn wir ihn gefunden haben, sollten wir ein Studium daraus machen, wie wir dem Übel abhelfen und Mittel finden könnten, es einzudämmen, sodass es aus dem Vordergrund unseres Lebensdramas in den Hintergrund tritt, mit Hilfe wissenschaftlicher Maßnahmen seinen vordringlichen Einfluss verliert und dadurch gleichzeitig unserem Denken freie Bahn in neuen Richtungen gibt.
Wir haben ja soviele andere gedankenlose Oberflächlichkeiten überkommen, die sich durch viele Zeitalter hindurch von einem Geschlecht auf das andere übertragen hatten, und haben gelernt, sie umzuändern und in nützliche Bahnen zu lenken. Ebenso wird es uns durch unsere Erfindungsgabe möglich sein, uns mit der atomistischen Welt, die den Grund zu unserem Körperwesen gelegt hat, vertraut zu machen und solche Mittel und Wege zu finden, dass der Geist die Herrschaft über die Materie bekommt.
Anstatt uns an den Kochherd zu binden und neue Kochrezepte zu erfinden, sollte sich unsere Erfinder- und Entdeckergabe auf das Gebiet der Chemie und organischen Anatomie verlegen und die wirklichen Beziehungen des Menschen zur Natur studieren, um auf diesem Wege die einfachsten Mittel zu finden, die uns ein Leben in Gesundheit, Kraft und Leistungsfähigkeit sichern.
Es ist richtig und wichtig, dass wir die Erzeugnisse der Erde kennen lernen und feststellen, welche Lebensmittel roh und welche feuerzubereitet den größeren Wert für uns haben. Aber wir müssen auch den Jahreszeiten und ihren besonderen Erzeugnissen unsere Aufmerksamkeit schenken, wobei auch das Klima eine Rolle spielt. Unser Temperament und unsere besonderen Eigenschaften und unser Entwicklungszustand müssen Hauptgegenstände unseres Studiums und Forschens sein. Dann werden wir zu einer wissenschaftlichen Ernährung kommen, die uns für alle Mühe belohnt.
Ein individueller gründlicher Versuch mit solcher wissenschaftlicher Ernährung von drei Monaten wird uns reiche Erfahrungen auf diesem Gebiete eintragen und uns den Wert wissenschaftlicher Ernährung bestens klarmachen. Halten wir uns dabei an Speisen, die sich nicht nur vom ökonomischen Standpunkt aus als gut für unseren Geldbeutel erweisen, sondern auch unsere Gesundheit fördern, so macht uns das um so eifriger, befreit uns von dem großen Ballast mehr oder weniger wertloser Nahrungsmengen, mit dem sich der Durchschnittsmensch herumschleppt, und hebt uns auf eine Stufe, wo wir uns selbst und der ganzen menschlichen Gesellschaft zum Nutzen und Segen sind.
Das sollte das Ziel jedes richtig denkenden Menschen, besonders jedes Reformers, Lehrers, Doktors und Arztes sein und für dieses Ziel sollte ein jeder von ihnen selbst ein würdiges Beispiel geben.
Auszüge aus der Mazdaznan-Ernährungskunde
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