Wir sind heute hier, um dem Verlangen vieler Suchenden nach der Lösung der Lebensaufgabe nachzukommen. Mazdaznan ist ein System, das zur Erkenntnis aller Dinge führt und ihre praktische Wertung im täglichen Leben lehrt. Mazdaznan ist eine praktische Lebensphilosophie, eine Philosophie der Tat und der Gegenwart.
Wir bringen allen die Botschaft: Es gibt einen einfachen Weg, auf dem man das Höchste erreichen und das Lebensrätsel lösen kann. Der menschliche Körper enthält alle Intelligenzen, die das ganze Leben ausmachen. Es ist möglich, alles menschliche Sehnen zu befriedigen und das Ziel des Strebens zu erreichen, ohne fremde Quellen gebrauchen zu müssen. Nur zwei Dinge sind dazu nötig. Erstens: Stehe auf eigenen Füßen, achte dich selbst! Und zweitens: Kümmere dich um deine eigene Sache! Auf diesen zwei Grundgesetzen beruhen alle Entwicklung und aller Fortschritt sowie die Lösung aller Lebensfragen. Selbstachtung gebiert Achtung gegen andere. Sobald wir uns selbst achten, können wir kein Gesetz übertreten, da die Gesetze der Ausdruck der Achtung sind. Dann verstehen wir auch, was Leben ist, und erkennen, dass dieses gegenwärtige Leben alles Leben enthält und jede Existenz nur eine Erscheinung des einen Lebens ist.
Nur die Erscheinungen sind verschieden. Alles Leben ist eins. Die Verschiedenheit der menschlichen Wesen ist bedingt durch die Vielheit der Intelligenzen des Körpers. Es ist daher nicht möglich, dass ein Mensch dem anderen völlig gleich sein kann. Daher kommt es auch, dass die Ansichten und Ideen der Menschen niemals völlig miteinander übereinstimmen können. Alle Ideen und Ansichten entspringen aber dem einen und demselben Gedanken, dem einen Leben. Dieses Leben ist von wesentlicher Bedeutung für den Fortschritt und die Entwicklung. Es birgt in sich Fragen und Aufgaben von enormer, unendlicher Tragweite. Solange der Mensch ungleichmäßig und disharmonisch entwickelt ist, wird er immer wieder durch diese Lebensfragen in Verwirrung und Verzweiflung geraten.
Letztendlich ist unsere Lebensaufgabe, alle Fragen, die ans Leben gestellt werden, in allen Einzelheiten bestimmt und klar zur völligen Zufriedenheit, sowohl des unvergänglichen Geistes als auch der vergänglichen Vielheit von Intelligenzen des Körpers, lösen zu können. Die Aufgabe des Menschen ist nicht, seine wertvolle Zeit mit Theoretisieren über Gesundheitsfragen, körperlich und geistig, zu vergeuden, auch nicht, sich in langen Erörterungen über Mittel und Wege des Erwerbs und der Ernährung zu ergehen, sondern es muss stattdessen das Ziel zur Lösung der individuellen Lebensaufgabe sein, die eigene Gesundheit des Körpers und Leistungsfähigkeit der Nerven und des Gehirns wiederherzustellen oder zu bewahren.
Dazu muss es selbstverständlich sein, dass jeder dazu beiträgt, die Mittel für sein tägliches Brot für den Unterhalt des Zellenorganismus selbstständig zu erwerben. Es wird auch vorausgesetzt, dass der Mensch innerhalb der Grenzen der Natur bleibt und sich gesund erhält. Es ist des Menschen Geburtsrecht, wohlgeboren zu sein sowie geistige und körperliche Energie zu besitzen. Sind wir unfähig, unsere Wünsche zu verwirklichen und Gebrauch von dem Geburtsrecht der geistigen Freiheit und körperlichen Gesundheit zu machen, so liegt das daran, dass wir noch nicht auf eigenen Füßen stehen, noch nicht selbstständig sind und unsere eigenen Fähigkeiten und Kräfte nicht erkannt haben, sondern uns immer noch auf andere verlassen.
Wir müssen frei werden. Ist das etwa Freiheit, wenn wir so gebunden sind, dass wir unsere Ideen nicht ausführen können? Überall stoßen wir auf geistige und körperliche Schranken und finden uns ungenügend entwickelt und unfähig, sie zu beseitigen. Sollen wir darum etwa verzweifeln? Sollen wir uns dem allgemeinen Glauben unterwerfen, wir seien auf ewig der Mittel beraubt, unser heiligstes Sehnen zu verwirklichen, unsere Lebensaufgabe zu erkennen und durchzuführen? Einen Ausweg muss es geben. Und es gibt einen Ausweg! Die Mazdaznan-Lebenswissenschaft lehrt einen einfachen Weg, der zu allen Zeiten bekannt war. Die Möglichkeiten des Menschen sind unbegrenzt.
Es heißt, dass Gott alle Dinge möglich seien. Dinge müssen denkbar sein, um möglich zu sein. Was denkbar ist, ist möglich, wenn wir also wirklich Gesundheit und Erfolg denken können, so ist es auch möglich, sie zu verwirklichen. Aber im Gedanken allein findet man solange keine Befriedigung, als bis man ihn zur Ausführung gebracht und verwirklicht hat. Wir müssen Gesundheit besitzen und Erfolg im Leben haben. Sie sind die Mittel zur Lösung der Lebensaufgabe.
Mazdaznan lehrt vor allem, richtig zu denken und dann die Gedanken zur Ausführung zu bringen. Der Gedanke ist die erste Ursache aller Schöpfung und Entwicklung. Wäre Mazdaznan ein neues System, so müsste es erst geprüft werden. Dies ist aber nicht nötig, denn es ist uralt und wohlerprobt. Mazdaznan widerspricht keiner Anschauung und Überzeugung, weder auf dem Gebiet der Soziologie, noch der Religion oder Philosophie. Es gibt keine Möglichkeit für Widerspruch, solange man die persönliche Überzeugung gegenseitig achtet.
Es gibt nichts Heiligeres als die Individualität des Wesens. Jedes menschliche Wesen muss die Freiheit haben, zu denken, wie es will. Die unzähligen Systeme der Welt sind das Resultat der großen Mannigfaltigkeit der Entwicklung des menschlichen Geistes und der menschlichen Kulturen. Nichts erscheint auf diesem Planeten, das nicht die Folge eines Bedürfnisses ist. Daher muss man zu der Einsicht gelangen, dass alles gut ist und alles seine Berechtigung zu seiner Zeit und an seinem Orte hat: dass überall Ordnung ist und nicht Unordnung, ebenso wie im Kreislauf der Planeten Ordnung ist.
Erkenntnis und Wissen sind völlig wertlos, wenn wir nicht danach leben. Können wir unsere Anschauungen und Bekenntnisse nicht in die Praxis umsetzen, so enthalten sie keine Wahrheit.
Wir müssen unsere Philosophie, Religion, Bekenntnisse, Überzeugungen und Behauptungen leben können. Was nützen all die Lehren und Dogmen, die wir für das „Heil der Menschheit" aufstellen, wenn wir sie nicht leben können? Alle Theorien, die sich im praktischen Leben nicht verwirklichen lassen, sind nicht wahr, mögen sie in noch so schöne Worte und poetische Redeweise eingekleidet sein und noch so logisch erscheinen. Das Leben ist zu kurz – sogar wenn wir tausend Jahre leben sollten, um die Zeit mit Theoretisieren zu vergeuden.
Bei Mazdaznan beginnen wir mit dem Körper, weil er das letzte und vollkommenste Erzeugnis der Entwicklung und das Einzige ist, dessen wir uns bewusst sind, denn man kann nicht leugnen, dass wir existieren. Vor allem beschäftigen wir uns mit unserem eigenen individuellen Selbst. Wir fragen: Woher komme ich? Warum bin ich hier? Wohin gehe ich? Warum kam ich gerade jetzt auf diesen Planeten und nicht früher oder später? Alle ernsthaft suchenden Menschen haben sich diese Frage schon gestellt. Es muss eine Antwort darauf geben, denn jede Frage birgt in sich die Antwort. Aber wer kann antworten? Wer kann uns die Lösung unserer eigenen individuellen Fragen, unseres individuellen Lebens geben?
Die Kirche, die Wissenschaft, die Soziologie, die Philosophie, alle haben über diese Fragen theoretisiert, aber die wenigsten sind doch dadurch einer sie befriedigenden Antwort näher gekommen. Mazdaznan lehrt einfach, alles Theoretisieren fallen zu lassen und die eigenen Füße auf soliden Boden zu stellen. Diesen Körper und die Gegenwart zu kennen, ist wichtiger als alles Theoretisieren. Der menschliche Körper birgt in sich alles, was wir zur Lösung des Lebensrätsels bedürfen. Vergangenheit und Zukunft haben keinen Wert für die Gegenwart. Durch Befriedigung der gegenwärtigen täglichen Bedürfnisse baut man das Fundament, auf dem die Zukunft ruht. Durch die gründliche Kenntnis der Gegenwart erkennt man die Vergangenheit. Vergangenheit und Zukunft sind in der Gegenwart konzentriert. Diese enthält alles Leben und alle Kräfte aller Zeiten. Dieser menschliche Körper ist das Instrument der Vernunft. Er hält alle Vernunft und Intelligenz zur Lösung aller Fragen in sich geborgen. In diesem Körper liegt alle Einsicht und alle Erkenntnis, um alle Fragen, die in einem ganzen Lebenslauf an den Menschen herantreten, lösen zu können. Wie alle Musik in einem Klavier enthalten ist und nur des Meisters harrt, um hervorgelockt zu werden, so enthält der Körper alle Intelligenz des ganzen Universums und wartet auf die Meisterhand, um sich ihrer zu bedienen.
Der menschliche Körper ist das Resultat unzähliger Schöpfungen und Entwicklungsstufen. Er ist die Krone und Zusammenfassung aller geschaffenen Fähigkeiten und Kräfte der ganzen Schöpfung und Entwicklung. Er enthält in konzentrierter Form alle Intelligenzen des Tierreichs, des Mineralreichs und alle Kräfte des Elementarreichs. Wollen wir nun zu vollem Bewusstsein aller dieser Intelligenzen und Kräfte kommen und sie verwerten, so haben wir nichts anderes zu tun, als auf eigenen Füßen zu stehen. Gerade wie Talente geboren werden, so müssen Vernunft, Urteil, Göttlichkeit geboren sein. Alles, wonach wir uns sehnen, liegt als Intelligenz in unserem kleinen Körper verborgen. Das ganze Bestreben der Entwicklung und der Erziehung des Menschen muss demnach sein, das zum Ausdruck zu bringen, was in uns ist. Der Mensch ist die letzte und höchste Schöpfung Gottes, das Ebenbild Gottes. Wenn Gott weiß, so weiß auch der Mensch. Gott hat Macht, so auch der Mensch. Aber der Mensch muss lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, recht zu leben und nicht nur zu wissen.
Wie man eines Instrumentes bedarf, um die Errungenschaften der Musik zum Ausdruck zu bringen, so bedürfen Geist, Seele und Vernunft eines Körpers, um die Harmonie des Unendlichen offenbaren zu können. Ein solcher Körper, ein solches Instrument muss vollkommen sein. Er ist auch vollkommen, wie auch ein neues Instrument an sich vollkommen ist. Wollen wir aber dieses Instrument benützen, so muss es gestimmt werden, um dem Unendlichen, das ihn besitzt, Gelegenheit zu geben, sich auszudrücken. Mazdaznan betrachtet den Körper nicht als unvollkommen. Unvollkommenheiten sind die Folgen falscher Begriffe. Gebraucht man aber Vernunft und gesunden Menschenverstand in allen Fragen, so kann man keine Fehler begehen. Wir lehren, dass der Körper vollkommen ist. Aber um über seine innewohnende Vollkommenheit verfügen zu können, muss man ihn ebenso stimmen und pflegen wie ein Instrument. Um Nutzen und Genuss daraus zu ziehen, muss man ihn in Ordnung, gesund und leistungsfähig erhalten. Das ist es, was wir vor allem lernen müssen, den Körper richtig zu pflegen. Besitzen wir ein vorzügliches Klavier, so behandeln wir es mit der größten Sorgfalt. Wir lassen nicht jedermann darauf spielen. Es würde uns das Herz brechen, wenn es missbraucht würde. Und doch gestatten wir, dass der Tempel des lebendigen Gottes, dieser Körper, von uns missbraucht und von anderen behandelt und misshandelt wird!
Können wir einmal unsere Sinne wie eine Klaviatur behandeln und beherrschen, so können wir ihnen auch die allerhöchsten Begriffe und Kenntnisse entlocken. Dieser Körper ist das Instrument des lebendigen Gottes, des Gottes, der in uns lebt. Wenn wir uns dieses Gottes als unseres Gottes nicht bewusst werden, wenn wir Gott weder sehen noch hören, so gibt es keinen Gott.
Gott ist nicht jemand, irgendwo; Gott ist Leben, allgegenwärtig, in jedem Menschen; wenn nicht, so gibt es keinen Gott. Wie können wir aber beweisen, dass es einen Gott gibt? Man hat versucht, ihn mit objektiven Dingen zu beweisen. Aber das Unvergängliche lässt sich niemals durch das Vergängliche, Objektive beweisen. Auch kann Gott nicht durch Gott selbst bewiesen werden, ebenso wenig wie die Schrift durch die Schrift selbst. Wie will man andererseits beweisen, dass es keinen Gott gibt? Beweise können nur durch objektive Dinge erbracht werden, Dinge, die dem Wechsel unterworfen sind, die entstehen und vergehen. Solche sind aber kein Beweis für das Subjektive, für den Geist, für Gott. Lasst uns vielmehr das tiefste Innere, unser eigenes Herz, ergründen, stille sein – dann denken und erkennen!
Haben wir schon gelernt, die Gesetze der Lebensökonomie anzuwenden? Die wahre Lebensökonomie fragt nicht, wie viel, sondern wie wenig zum Leben nötig ist, um möglichst großen Nutzen daraus zu ziehen. Was ist das kleinste Maß zur Erreichung höchster Werte? Mit wie wenig kann ich das Maximale erreichen?
Man lehrt, der Mensch habe fünf Sinne, einige geben sechs und sogar sieben zu. Mazdaznan lehrt, dass der Mensch zwölf Sinne hat und dass alle zwölf zur vollkommenen Ausbildung und Lösung der Lebensaufgabe unentbehrlich sind. Man kann die Dinge nur so weit schätzen, wie man ein Verständnis dafür hat. Es gibt Menschen, die nur über sieben Sinne verfügen, andere über sechs oder fünf oder auch nur drei. Die zwölf Sinne sind zwar alle in latentem Zustand vorhanden, sie können aber von den wenigsten gebraucht werden. Könnten alle Menschen alle ihre Sinne gebrauchen, so würde die Welt heute viel weiter sein. Wir haben alles in uns, um vollkommen zu werden: Alle Dinge sind Gott und dem Menschen möglich. So muss es einen Weg geben, um zum vollen Gebrauch der Intelligenz zu gelangen, und dieser ist: Stehe auf eigenen Füßen und halte die edle Lebensregel heilig: Kümmere dich um deine eigene Sache! Dann findet sich die Lösung aller Lebensfragen von selbst.
Wir müssen zur Einsicht kommen, dass der Körper alles ist, was wir besitzen, und dass wir kein Besitzrecht auf etwas anderes haben. Der Körper ist unser einziges Erbe und Geburtsrecht, und damit besitzen wir alles, was zu erben ist. Nur in unserem Körper ist die Lösung des LebensrätseIs zu finden durch das Hervorlocken aller innewohnenden Talente, die Entwicklung aller verborgenen Kräfte und die Vervollkommnung aller Sinne durch Atem- und Körperpflege. Gebrauchen wir die ihm innewohnende Intelligenz, so brauchen wir nicht zu leiden und Erniedrigungen durchzumachen. Können wir heute unsere höchsten Ideale nicht zur Ausführung bringen, wie wird es in der Zukunft möglich sein? Können wir heute nicht gut sein, werden wir es nie können. Können wir heute die Zustände nicht bessern, so wird es nie möglich werden.
Wir pflegen zu versprechen, gut zu sein, wenn wir im Himmel, im Nirwana, sind. Kann man sich aber einen Himmel denken, wo man die lieben wird, die man hier gehasst hat? Das hat keinen Sinn. Man versteht nicht, was es heißt, einander zu lieben. Man braucht bloße Worte, ohne ihren Sinn zu begreifen. Lasst uns langsam sein im Urteil. Nur in einem Punkt sollten wir rasch sein, im Hören.
Wir müssen lernen, nur das Gute, Edle in unserem Gedächtnis zu bewahren, und alles, was nicht mit uns harmoniert, zu vergessen, zu übersehen. Es nützt uns nichts, an Dinge, die uns niederdrücken, zu denken und sich mit ihnen zu beschäftigen. Nur das, was uns erhebt und begeistert, soll der Gegenstand unseres Denkens sein. Deshalb sollen wir nicht über Krankheit reden, noch daran denken, wenn wir gesund werden wollen. Was ist aber unser Tagesgespräch zu Hause und auf der Straße? Unsere Krankheiten und Sorgen! Wir brauchen kein Mitleid und sollen es nie beanspruchen; niemand braucht unseren Zustand zu kennen. Mitleid heilt keine Krankheiten, auch zahlt es keine Rechnungen. Behalte deinen Kummer für dich selbst. Denke, erwäge und sei still und höre! Dann wird sich unfehlbar ein Weg finden, der dich von deinem Kummer befreit.
Bist du krank, so sei ruhig, und aus dem Reiche deines Bewusstseins, aus der Unendlichkeit deines eigenen Wesens wird dir der richtige Weg gewiesen werden. Höre immer auf deine eigene Stimme, merke auf das, was dir geoffenbart wird, und führe es aus, gleichviel, ob der Weg weit oder kurz ist. Dann wirst du siegreich sein. Stehen wir auf eigenen Füßen, geistig und körperlich, so mögen Lehren und Glaubensbekenntnisse kommen und gehen, wir lassen uns nicht mehr beeinflussen, weil wir originell, ursprünglich und selbstständig geworden sind und gelernt haben, uns um uns selbst zu kümmern. Originell, ursprünglich ist nur, wer auf die innere Stimme hört und ihr gehorcht.
Sich um seine eigene Sache zu kümmern, scheint das Schwierigste in dieser Welt zu sein. Wir wissen alles, was den Nachbarn angeht, aber nichts von dem, was uns angeht. Was uns allen nottut, ist, heim, zu uns selbst, zu kommen: aus der Vergänglichkeit zur Unvergänglichkeit unseres eigenen Wesens. Dann werden uns die Dinge der Welt nicht mehr anfechten. Wir können hervorbringen und schaffen, was wir wollen. Aber wir müssen lernen wie. Ein Musikinstrument muss gestimmt sein, bevor man ihm harmonische Töne entlocken kann. In der Malerei muss man den Gebrauch von Pinsel und Farben verstehen, um sich ausdrücken zu können. Wollen wir nun diesen Körper in Stimmung und Ordnung halten, so müssen wir verstehen, von allen seinen Sinnen Gebrauch zu machen. Wir müssen unsere Selbstständigkeit wahren, niemals unsere Individualität, Ursprünglichkeit aufgeben, niemals etwas gegen unseren Willen und unser Gewissen erzwingen. Alles, was von außen kommt, müssen wir bezweifeln. Nehmen wir diesen Standpunkt ein, so bleibt uns immer noch die Freiheit, die Sache zu untersuchen und zu ergründen. Wir dürfen nie etwas als Wahrheit annehmen, bis wir es uns selbst bewiesen haben. Jedermann kann diese Prinzipien unterschreiben.
Mazdaznan ist offen und frei für jedermann. Jeder denkende Mensch wird Interesse daran finden und über alle Erwartungen befriedigt sein. Mazdaznan hat die wunderbarste Botschaft für die Menschheit. Es ist eine Botschaft der Freiheit, eine Botschaft allgemeiner Amnestie, eine Botschaft der Befreiung von Krankheit, Sünde und Sorgen. Alles umsonst!
Alle müssen lernen, ökonomisch zu sein. Man vergeudet Mittel und Energie; daher ist man von Armut umgeben.
Ebenso sicher, wie sich die vier Jahreszeiten folgen, finden regelmäßige Wechsel im Leben statt: Wohlfahrt, Verschwendung, Krieg und Frieden. Wir leben heute in einem Zeitalter der größten Verschwendung. Daher leiden wir unter Bedrückung und Armut, die immer Hand in Hand mit der Verschwendung gehen. Was folgt? Revolution – Krieg! Es hilft auf Dauer nichts, den Armen zu speisen. Nein, er muss die Möglichkeit haben, seinen Lebensunterhalt selbst zu erwerben. Das lehrt die Geschichte. Die Geschichte der Nationen sowie des individuellen Lebens wiederholt sich fortwährend. Sind die Kriege vorüber, so ist das Privateigentum großenteils zerstört, und man wird gezwungen, zu einem primitiven Zustand zurückzukehren, um sein Leben zu fristen. Lasst uns daher die Ökonomie unseres eigenen Lebens lernen, lasst uns beizeiten lernen, mit wenig auszukommen, um solchem Elend zu entgehen. Warum nicht gesunden Menschenverstand gebrauchen? Besitzen wir genug und geht es uns gut, so glauben wir, nicht sparen zu müssen in Erwartung noch besserer Tage. Aber man merke wohl: die politischen und geschäftlichen Krisen wiederholen sich immer wieder. Stattdessen: Wenn wir die Gesetze der Lebensökonomie gelernt haben, dann verliert auch eine schlimmere Krise viel von ihrem Schrecken.
Wir brauchen bei Weitem nicht so viel, wie wir vermuten. Lasst uns doch unsere Lebensenergien so gebrauchen, dass wir dauernden Nutzen davon haben, anstatt sie an überflüssige Nahrung und Arbeit zu vergeuden. Die Ökonomie des Körpers müssen wir kennen und ausüben. Nur dann behalten wir Gesundheit und geistige Kraft; nur dann sind wir fähig, unseren Lebensplan richtig zu gestalten und auszuführen.
Alle diese Fragen über Individualität und Sammlung der Kräfte werden von Mazdaznan ausführlich beantwortet. Unsere Lehre ist aufgebaut auf dem Ursprung aller Intelligenzen: dem Atom des Unendlichen, der Einheit aller Dinge, auf der alle Schöpfung und Entwicklung beruht. Das ist Lebensökonomie, das ist Religion, die Religion des Ewigen, die das Vergängliche und das Unendliche in Verbindung und Harmonie bringt, eine Religion, welche Individualität, Ursprünglichkeit schafft und Liebe zum Leben gibt, einem wiedergeborenen, unbefleckten, reinen Leben. Durch praktische Verwertung dieses Atoms lernen wir unsere Kollektivintelligenzen kennen. Wir sind ebenso vergängliche wie unvergängliche Wesen, folglich müssen wir uns in- und auswendig kennen. Durch Selbstkenntnis lernen wir die Stellung und Rechte anderer kennen und achten. Unser Ziel ist, die Wirklichkeit dieses Lebens zu begreifen, die Natur und diesen Körper so zu beherrschen, dass wir von Krankheiten, Sorgen und Unfällen befreit bleiben und unser Leben verlängern.
Erst wenn wir frei sind, wissen wir, was Leben ist, und können es genießen. Wir sprechen nicht vom Tode. Wir sind nicht hierher gekommen, um zu sterben, sondern um zu leben. Wie können wir vom Tode reden, wenn wir hier sind, um zu leben und leben zu lassen?
Man spricht so viel vom Sterben. Wenn diese Existenz nur dazu da ist, jeden Tag bereit zum Sterben zu sein, weshalb sind wir dann überhaupt hierher gekommen? Wir glauben nicht an den Tod; da ist nichts zu holen. Aber im Leben liegt ein großer Wert, den wir finden und voll ausnützen müssen. Die meisten Konfessionen konzentrieren ihre Betrachtungen auf den Tod, den sie in zwei Klassen einteilen: Himmel und Hölle. Nun, das ist nicht sehr erfreulich, wissen wir doch nicht, an welchem von beiden Orten wir landen werden.
Sind wir unglücklich, so hat das seinen Grund darin, dass wir die Suggestionen und Ansichten anderer angenommen haben und sie auszuführen bestrebt sind. Es hat keinen Zweck, sich unglücklich zu machen. Die Wahrheit ist nicht in den Suggestionen anderer zu finden. Wir halten nichts von Mesmerismus, Hypnotismus noch irgendeiner Heilkunst, die sich auf Suggestionen gründet. Wir sollen nicht lernen, zu hypnotisieren, sondern uns zu enthypnotisieren von der Knechtschaft der Suggestion, die uns gebunden hält. Freiheit wird nur erreicht durch Gehorsam gegenüber der eigenen, inneren Stimme, durch Individualität.
Es ist nicht wahr, dass wir Sünder sind und durch viele bittere Erfahrungen gehen müssen. Wir lernen sehr wenig durch Erfahrung, sondern unendlich viel mehr durch scharfe Beobachtung und folglich durch Schärfung der Sinne. Seit Menschengedenken wurden das Heil, die Erlösung und das goldene Zeitalter gepredigt, und doch sind wir heute ebenso krank und sündhaft wie zu allen Zeiten, und das goldene Zeitalter ist ferner denn je. Die einzige Wahrheit ist, dass Gott lebt und ich auch („Ich lebe und Ihr sollt auch leben"). Lebe ich heute, so muss ich auch früher gelebt haben, und weil ich lebe, werde ich ewig leben. Es ist nicht denkbar, dass das wirkliche Leben, der Geist, einen Anfang oder ein Ende hat.
Wir haben kein Recht, die Umstände und die Umgebung zu beschuldigen, sind sie doch das Resultat unserer Gegenwart und aller derer, mit denen wir intellektuell und sozial verwandt sind. Können wir die Umstände und Umgebung zu unserem Besten wenden und beherrschen, so haben wir nichts auszusetzen. Wir genießen nur das, was wir beherrschen.
Zeit, Raum und Leben sind endlos. Wir sind ewig. Wir brauchen uns nicht um die Zukunft zu kümmern, wenn wir die Aufgaben der Gegenwart erfüllen. Sollte für uns die Zeit kommen, in anderen Reichen zu leben, so müssen wir auch dort lernen, uns den Umständen und Bedingungen anzupassen, so wie wir es hier tun müssen. Haben wir jetzt genug Verstand, uns um die Gegenwart zu kümmern, so werden wir auch genug Verstand haben, es im zukünftigen Leben zu tun. Wir sind nun einmal hier auf dieser Erde und haben das Beste aus diesem Leben zu ziehen. Lieben wir es nicht, so können wir ja gehen. Kennen Sie einen besseren Ort, so gehen Sie hin! Wenn nicht, dann machen Sie diese Welt nicht schlecht! Lasst uns doch das Leben gegenseitig angenehm machen, anstatt einander mit Elend zu überschütten! Wenn Sie einen Ort wissen, wo Sie seidene Kleider und Kronen mit Diamanten tragen können, warum gehen Sie nicht gleich hin? Wenn wir unsere Lage auf dieser Erde verbessern können, indem wir in andere Städte oder Länder ziehen, sollten wir es sofort tun, aber was jenen Ort, den Himmel, anbetrifft, so wissen wir nichts. Wir haben nur aus Erzählungen darüber gehört. Es ist nur Hörensagen, und Hörensagen gilt nicht, nicht einmal vor Gericht. Dann gilt Hörensagen sicherlich noch viel weniger vor einem Gericht höherer Ordnung. Lassen wir dieses Gerede von einem zukünftigen Leben fallen und beginnen wir mit Ernst, unser gegenwärtiges Leben nach unserem höchsten Ideal zu formen. Lasst uns vor allem uns selbst lieben, dann erst werden wir auch unseren Nächsten lieben können.
Jesus sagte: „Niemand kommt zum Vater, es sei denn, er werde wie ich.“ Jesus hat es nicht auf sich genommen, Sie zu erlösen. Sagte er doch: „Folgt in meinen Fußstapfen.“ Und „Größeres als ich sollt ihr tun.“ Das ist alles, was er tun konnte. Heilte er Kranke, so gab er Gott die Ehre, nicht sich selbst. Er gab sich nicht für einen Erlöser anderer aus. Er wollte nur das Gesetz erfüllen, indem er es in seinem eigenen Leben anwandte. Lass das Alte vergehen, denn siehe, durch Gottes Atem (Atem = Geist, Pneuma, Ruach) sollen alle Dinge neu geschaffen werden, durch den Atem, der der Ursprung aller Dinge ist und der uns die Kraft gibt, ein neues Leben zu beginnen.
Auszug aus einem Vortrag von Dr. O. Z. Hanish (Los Angeles 1904).
Bearbeitet von Jens Trautwein.