Frieden, Frieden, Frieden

Die Friedenserklärung

1. Ein Tag nach dem andern verflog so schnell wie die Stunden eines geschäftigen Tages und als Ainyahita schließlich das offen vor ihr liegende Tal betrat, hatte Khorsched (der Lichtbringer, Vermittler zwischen Sonnenlicht und Erdatmosphäre) gerade sein Antlitz dem menschlichen Auge entzogen, während er seinen flatternden Purpurtalar noch am Himmelsgewölbe gelassen hatte, dessen Ecken er aber unter großen Schwierigkeiten zusammenzog in Anbetracht der sturmdrohenden Schwingungen im Tale unten, wo zwei Heere bereits in heißem Kampfe lagen. Sie schossen ihre Steine und Pfeile mit außerordentlicher Schnelligkeit durch die Luft, sodass das Pfeifen mit schreckenerregender Geschwindigkeit die Tonleiter Vayus (Luft, Atmosphäre) hinauflief, als handle es sich um ein Wettrennen mit den ungezügelten Elementargewalten, die Verwüstungen in den nahen Gebirgszügen anrichteten.

2. Rasch entschlossen befahl Ainyahita ihrer Leibwache, ihre weißen Gewänder anzulegen, und sie selbst hüllte die Schönheit ihres Körpers in das Friedensgewand, das mit dem goldenen Gürtel der Reinheit umgürtet wurde und mit dem silbrigen Besatz der Gerechtigkeit versehen war.

3. Wie der Blitz galoppierte Ainyahita, mit ihrer Leibwache hinter sich, im Zickzack ins Tal hinunter zwischen die beiden kämpfenden Heere.

4. Khorsched konnte der Versuchung nicht widerstehen, erhob sich vom Sitz seines Staatswagens, warf seinen Mantel zur Seite und spiegelte sein volles Antlitz durch das goldene Tor Andervayis (Zustand der Ruhe) ab, wobei es sich durch Tuschi (Ätherspiegel des Weltalls), versiebenfachte. Gleichzeitig mit dem Wettlauf der Naturerscheinungen machten auch Ainyahita und ihr Gefolge plötzlich halt.

5. „Frieden, Frieden, Frieden!“ schallte eine höchst wohlklingende Stimme durch die Luft. „Frieden, Frieden, Frieden!“ antwortete das Echo mit sieben starken, mächtigen Stimmen.

Segnungen des Friedens

1. Man hörte keinen Pfeil mehr durch die Luft pfeifen, keinen Stein mehr fallen, keinen feindlichen Laut mehr ertönen. Alles war still. Nur die Echos hallten wider aus den vielen Bergesschluchten und fugierten auf einer Äolsharfe die wie von einem Zauber festgehaltene Botschaft: „Frieden, Frieden, Frieden!“

2. Freund wie Feind legten ihre Waffen nieder, beugten die Knie, wechselten ihre Grüße und riefen den Herrn des Alls an, dass er seinen Segen spende.

3. In dieser Nacht brannten helle Lagerfeuer durch das ganze Tal des Kusch (Teil des Hindukusch-Gebirges) und auf den Hügeln sandten Opferfeuer wohlduftende Wolken zum Himmelsgewölbe empor. Die Toras (Volksstamm aus dem Norden) und die Thands (Zendvolk) tranken das Blut der Brüderschaft und schlossen Freundschaft auf Zeit und Ewigkeit, während Ainyahita und ihre Begleiter ebenso wunderbar verschwanden, wie sie erschienen waren.

Auszüge aus „Ainyahita in 23 Perlen“.
Foto: © Ulia Koltyrina - stock.adobe.com


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