Nahrung und Ernährung

2. Kapitel der Mazdaznan-Ernährungskunde

Über "Nahrung und Ernährung" brauchten wir gar keine Erwägungen anzustellen, wenn unsere Intelligenzen für Selbsterhaltung und Abwägung miteinander in Verbindung stünden. Wir besitzen wohl die entsprechenden Gehirnzellen; ob aber ihre Intelligenzen tätig genug sind, um sich mit der Intelligenz der Eingebung oder Intuition so zu vereinbaren, daß ihre gemeinsamen Schwingungen oder Vibrierungen das Gesinn in der Zirbel erreichen, ist eine andere Frage. Von der Leitung des Richtung gebenden Gesinnes in der Zirbel hängt aber die Art und Weise der Verwirklichung des Selbsterhaltungstriebes ab.

Wenn das Gesinn in der Zirbel in dieser Richtung keine klaren Winke oder Anregungen gibt, dann fehlt es uns bei der Nahrungsauswahl am rechten Unterscheidungsvermögen und wir begehen Irrtümer und Fehler in der Auswahl, so daß unser Wohlbefinden leidet. Die natürlichen Vorgänge in den Verdauungsorganen können dann nicht regelrecht ablaufen, sondern geraten in falsche Richtungen oder auf abschüssige Bahnen, so daß sich Gewohnheiten entwickeln, die den Appetit oder die Eßlust reizen.

Die menschliche Natur vollzieht geradezu wunderbare Leistungen, die unter der Leitung des Gesinnes sogar fast unbegrenzt gesteigert werden können, und sie folgt den Weisungen des Gesinnes bis zur äußerst möglichen Grenze. Ist aber diese Grenze erreicht und kann das Gesinn den Naturkräften keine weiteren Weisungen geben, so werden die Naturkräfte führerlos und wirken sich blindlings aus. Dann mögen wir singen: "Der Herr ist mein Hirte" und "Nimmermehr vergesse ich dich"; aber es wird uns keine Hilfe und es kann uns keine werden, da auch der "Herr" an die von ihm selbst aufgerichteten Naturgesetze gebunden ist. Wir hatten zwar die freie Wahl, haben sie aber mißbraucht und haben fremden Göttern anstatt dem "Herrn" geopfert.

Selbst wenn wir dann zum ersten Prinzip zurückkehren, ist das Schuldkonto nicht sogleich ausgeglichen. Wenn wir uns auch aufrecht erhalten, so leiden wir doch an den Folgen unseres Leichtsinnes und Eigensinnes. Als Wesen, die mit Intelligenz und daher mit freiem Willen und freier Wahl ausgestattet sind, sollten wir uns nie von materiellen Einflüssen gefangen nehmen lassen und nie materiellen Versuchungen nachgeben, weil wir dadurch unser höheres, unser Intelligenzwesen schwächen. Deshalb sollten wir auch nie blindlings einem materiellen Verlangen, Trieb oder Sinnesreiz zur Befriedigung unserer Eßlust folgen.

Als intelligente Wesen müssen wir uns bewußt halten, daß die Nahrung unserem Körper die zwölf biochemischen Salze zu liefern hat, die die Energien oder Kräfte des Organismus bestärken und beschwingen sollen. Hiervon hängen unsere Gesundheit und unsere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ab. Diese biochemischen Salze gewinnen wir aus der Nahrung am sichersten, wenn wir uns an die Grundregel halten: "Lasse alles Durcheinander und Mischen in deiner Ernährungsweise beiseite und bevorzuge grundsätzlich alle frischen und durchsonnten Nahrungsmittel vor allen irgendwie zubetreiteten Speisen!" Das ist der beste Schutz gegen die Verlockungen des Appetites oder der Eßlust.

Dann werden wir schon nach kurzer Zeit und von selbst auf den Zustand und die Wirkungsweise unserer Organe und auch des Gesinnes in der Zirbel aufmerksam und entdecken, woran es uns von Fall zu Fall fehlt, und welche Nahrungsmittel wir wählen sollten, um uns in Ordnung zu bringen und bei guter Gesundheit und körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Mancher braucht geriebene oder feingeschnittene oder durchgeschlagene Nahrung. Mancher braucht Milch oder Eier. Andere tuen besser, Milch und Eier beiseite zu lassen. Mancher braucht Körnerfrüchte in kleinen Mengen, ein anderer in größeren Mengen. Manche brauchen wenig oder kein Obst und nur kleine Mengen Gemüse. Mancher verträgt kein Öl und sollte deshalb den Körnerspeisen Butter, Milch, Sahne oder Käse beifügen und zur Abwechslung ein Ei nehmen, entweder roh oder zwei Minuten gekocht. Körnerfrüchte können selbst bei Verdauungsstörungen genommen werden, wenn man sie kocht u durchschlägt und ihnen etwas Sahne oder Milch beifügt. Die meisten sollten Zucker überhaupt meiden und sich statt des Zuckers kernloser Rosinen bedienen.

Wer findet, daß er trotz gewissenhafter Ernährung verstopft oder unregelmäßig ist, vermische gründlich miteinander 3 Teile Feigen, 2 Teile Datteln und 1 Teil Sennesschotenpulver und nehme davon eine kleine Menge nach jeder Mahlzeit, beobachte die Wirkung und ändere das Verhältnis für seinen besonderen Fall. Der eine braucht vielleicht mehr Sennesschotenpulver oder muß sogar noch etwas bittere Aloe oder Cascara sagrada beifügen. Der andere braucht daneben vielleicht allwöchentlich eine Zeitlang eine hohe Darmspülung, um seines Lebens froh zu werden.

Zuckerkrankheit, Gicht, Rheumatismus und Wassersucht sind verwandte Krankheiten und entspringen schwachen Nieren. Die Ursache ist bei allen dieselbe; nur die Auswirkung ist verschieden. Solche Kranke müssen vor allem Salz, Essig und andere Säuren meiden. Soweit der Körper Säuren braucht, halten sie sich an Apfelsinen, Limonen und Zitronen, deren Säuren vom Körper nicht aufgenommen werden. Das Nächstbeste ist dann der Apfel; er muß aber gebacken sein, selbst wenn er gerieben worden ist. Dann entsteht keine Versäuerung. Besteht Verlangen nach süßen Speisen, dann kann man mit Rosinen nachhelfen, die Sacharin enthalten, darf aber weder Rohr-, noch Rübenzucker verwenden.

Die Zuckerkrankheit ist im Zunehmen begriffen infolge der entarteten Ernährungweise der zwei letzten Generationen, die sich die schlimmsten Ernährungsfehler erlaubten, indem sie anfingen, alles durcheinander zu essen, dabei mehr Naturgesetze brachen, als die ganze Menschheit in den letzten Jahren zusammen genommen, und dabei die Worte des Heilands bestätigten: "Wo ist da ein Schwein, das nach dem Bade nicht sogleich in den Pfuhl zurückkehrte!" Denn wenn ihnen einmal Hilfe geworden war, glaubten sie, es würde ihnen immer wieder Hilfe werden.

Aber weil zwei Generationen die Naturgesetze hinsichtlich der Ernährung dauernd gebrochen haben, sind viele Schwachheiten auf alle Menschen gefallen und es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Schwächen auszugleichen, indem wir wieder lernen, innerhalb der Naturgesetze zu bleiben und uns dabei doch gut und richtig zu ernähren.

Dabei ist es in jedem Falle besser, daß wir, anstatt allen möglichen Ernährungstheorien nachzulaufen, unserer eigenen Eingebung, dem eigenen abwägenden und urteilenden Denken, dem eigenen Verstande und der eigenen Vernunft folgen.

Ob wir leben, um zu essen, oder ob wir essen, um zu leben, mag sich jeder selbst beantworten. Jedenfalls müssen wir in beiden Fällen auf unseren Körper Rücksicht nehmen. Denn selbst wenn wir völlig zu Sklaven unseres Appetites oder unserer Eßlust geworden sind und für die Dauer unseres Erdendaseins kein höheres Ziel sehen, als tagaus, tagein Straßen zu kehren, müssen wir doch gewisse Unterschiedsmerkmale zwischen Menschen und Tieren anerkennen und begreifen, daß der Aasgeier, der tötet, um zu essen, weit unter dem Menschen steht.

Wenn wir essen, um zu leben, weil die Nahrung notwendig ist, um das Zellengewebe aufrecht zu erhalten, kommt uns von selbst der Gedanke, daß wir nur die dafür notwendigen Speisen zu uns nehmen sollten, nicht aber solche, die das Zellengewebe beeinträchtigen oder gar schädigen und die wir in Wirklichkeit auch nur nehmen, weil wir gedankenlos unseren Eßgewohnheiten folgen. Sind aber die Organe so überlastet, daß sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen können, dann müssen wir entweder durch eigenen Entschluß einen gründlichen Diätwechsel eintreten lassen oder die Natur zwingt uns durch Krankheit dazu.

Der eigene Entschluß zu einem Diätwechsel ist bestimmt dem Zwang durch Krankheit vorzuziehen, schon deshalb, weil ein freiwilliger gründlicher Diätwechsel rascher eine Besserung herbeiführt und eine Erkrankung aufhält. Wenn dann die geänderte Ernährungsweise mit dem Körperzustand und Temperament in Übereinstimmung gehalten wird, kommt man damit ganz gut für längere Zeit aus.

Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Diätwechsel nur für kurze Zeit stimuliert, wonach dann der alte Zustand wieder eintritt. In solchen Fällen muß man der Atmung seine Aufmerksamkeit zuwenden. Der Atem bestärkt die Lungenmuskulatur und lädt die Nerven mit Nervenfluidum. Übt man den Atem täglich gewissenhaft und religiös, so wandeln die Lungenfelle die Atemluft immer besser um, so daß das Blut reiner wird und sein richtiges spezifisches Gewicht erhält.

Deshalb sollten wir es uns angelegen sein lassen, täglich von Zeit zu Zeit für einige Minuten rhythmische Atemzüge zu nehmen. Setzen wir dann methodische und melodische Atemzüge hinzu, dann erwacht die Eingebung oder Intuition im Gehirn und bestimmt mit Hilfe der Abwägung, der Vernunft und des Gesinnes in der Zirbel sogar die richtige Diät, die unseren besonderen Verhältnissen am förderlichsten ist. Dadurch werden wir immer sicherer in der Auswahl unserer Speisen und erkennen schließlich, daß jeder Mensch die ihm zukommende Ernährungsweise vermittels der Eingebung oder Intuition genau so sicher bestimmt, wie es das Tier vermittels des Instinktes tut.

Wir denken dann auch von selbst daran, daß es einen Wechsel der Tages- und Jahreszeiten gibt und daß deshalb auch unsere Nahrungsbedürfnisse einem Wechsel unterliegen müssen. Sorgen wir für solchen Wechsel, dann widmen wir uns mit Lust und Liebe unseren Alltagspflichten, sind immer in glücklicher Stimmung und erkennen, wie der Heiland sagte: "Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht."

Wir erlauben uns also nie, weder unseren Gedankengang noch unsere Ernährungsweise auf eine bestimmte Schablone festzulegen, sondern richten uns stets nach dem Gebot des eigenen Gewissens. Deshalb können wir doch alle wissenschaftlichen Erfahrungen und Forschungsergebnisse berücksichtigen nach dem Grundsatze: "Prüfet alles und behaltet das Beste!" Sonst könnten wir der Wissenschaft gegenüber so urteilslos werden, wie es die Menschheit bisher in Glaubenssachen gegenüber Dogmen und Theorien gewesen ist.

Nun begreifen wir auch, warum der Mensch gegenwärtig trotz aller Fortschritte des Zeitalters hinsichtlich seiner Ernährungsweise so rückständig ist, daß ihm ein kleines Insekt in der Sicherheit, die ihm zukommende und zusagende Nahrung zu finden, weit überlegen ist. Sein unentwickelter Eingebungssinn gibt Suggestionen und Selbstsuggestionen den Weg frei, so daß er seiner Eßlust die Zügel schießen läßt. Das ist aber nicht erst seit heute und gestern der Fall, sondern schon die Jahrtausende hindurch seit der grauen Vorzeit unserer Väter. Das Sinnlose oder Unsinnige ist anstatt des Sinnvollen von Geschlecht zu Geschlecht getan worden, so daß schließlich der im Protoplasma verankerte Gedanke der Selbsterhaltung völlig materialistisch und der wahre Zweck der Ernährung aus den Augen verloren wurde.

Selbst alle die Beschwerden und Leiden, die wir infolgedessen als eine ganze Menschheit zu erdulden hatten, haben uns keinen anderen Nutzen gebracht, als daß wir beständig nach Mitteln und Wegen suchten, um uns wenigstens zeitweise Erleichterungen zu verschaffen. Aber die Folgen der Unwissenheit und Zügellosigkeit, die das Wohl der einzelnen beeinträchtigen, verbreiten sich schließlich über ein ganzes Volk, ja, über die ganze menschliche Gesellschaft, so daß am Zustand der Regierung eines Volkes der krankhafte Zustand des einzelnen festgestellt werden kann und umgekehrt.

Beim einzelnen entsteht Krankheit durch die Wahl unrichtiger Nahrung. Bei einer kranken Regierung liegt die Ursache aller Übel in der Auswahl der unrichtigen Mitarbeiter. Ebenso wie gute, bekömmliche Nahrung einen gesunden Körper erzeugt, ebenso ist das Gedeihen eines ganzen Volkes sichergestellt, wenn die Regierungsmitglieder die beste Auslese der Gesellschaft sind. Erläßt eine Regierung Gesetze, die einander widersprechen oder gewisse Glieder des Volkes zu Gunsten anderer benachteiligen, so führt das zu Komplikationen in der Nationalkrankheit und beweist, daß die Regierung der Auflösung entgegengeht. Ist aber eine Regierung krank und die Mehrzahl der Wähler krank, dann muß die gesunde Minderheit leiden.

Die Leiden des Menschen beruhen auf seiner materiellen Zügellosigkeit im Essen und ziehen sein Denkenswesen in Mitleidenschaft, so daß er unausgeglichen oder einseitig denkt, seine Mitmenschen nicht als Seinesgleichen anerkennt und sich dadurch selbst des Friedens beraubt, nach dem sich sein besseres Selbst sehnt und von dem sein Fortschritt abhängt. Wechselt er seine Ernährungsweise oder wechselt eine Regierung ihren einseitigen Kurs durch Einführung ausgleichender Erleichterungen, so befindet sich der einzelne körperlich wohler und denkt ausgeglichener und friedlicher, weil die körperliche Spannung gewichen ist, und ebenso normalisiert sich das gesamte Leben eines Volkes, so daß es sich friedliche Zustände schafft und den allgemeinen Wohlstand steigert.

Tragen wir den natürlichen Bedürfnissen unseres Körpers Rechnung, indem wir zu ihrer Befriedigung das Beste auswählen, was die Jahreszeiten anbieten, dann nehmen nicht nur unsere körperlichen Kräfte zu, sondern es gleicht sich auch unser Denkenswesen aus und der Erfindergeist macht sich von selbst rege, so daß wir auf Mittel und Wege sinnen, wie wir die von der Natur gelieferten Nahrungsmittel so verbessern können, daß sich höhere Potenzen oder Kräfte in ihnen entwickeln, die unser Körperwesen verfeinern, wonach sich ein erweitertes, höheres Denken in uns entwickelt und wir aufhören, der Eßlust zu frönen, und infolgedessen auch nicht mehr vor unlösbaren Rätseln stehen. Sobald sich die körperlichen Kräfte ausgleichen, gleichen sich auch die Gehirnkräfte aus, von denen unser Gedankengang abhängt.

Solche vom Menschen mit Hilfe seiner Intelligenz veredelte Nahrung ist dann das "Brot des Himmels", das die in ihm schlummernden geistigen Kräfte weckt, so daß er durch die veredelte Nahrung "Früchte des Geistes" trägt.

Auszüge aus der Mazdaznan-Ernährungskunde.
Von Dr. O. Z. A. Hanish, deutsch von Dr. O. Rauth.
Gekürzt und mit Anmerkungen versehen von J. Trautwein.


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